12 Die rechte Hand des Teufels

Der Rest der Reise verlief immer nach dem gleichen Muster. Auch wenn ihre Entführer mit Dummheit glänzten und keine Gelegenheit ausließen, sich mit frivolen Bemerkungen zu überbieten, verstanden sie ihr Handwerk. Und Paola war sich sicher, dass sie keinen Moment zögern würden, sie wieder in die Kiste zu stecken, wenn sie versuchte zu fliehen. Doch sie trauten sich nicht, Paola anzufassen. Nur einmal hatte Nummer Drei sich nachts heimlich hinter sie gelegt und den Arm unter ihre Decke geschoben. Paola tat, als würde sie schlafen. Als Drei mutiger wurde und dichter an sie heran rutschte, drehte sie sich um und schlug ihm dabei wie zufällig mit dem Ellenbogen ins Gesicht. Ein Knacken und ein unterdrückter Schrei zeigten ihr, dass seine Nase gebrochen war. Drei rollte sich wieder auf sein Lager, Paola stellte sich weiter schlafend und lächelte zufrieden.

Die Gruppe hielt sich weiter abseits der Handels- und Reisewege. Paola hatte heimlich eine Seite aus einem ihrer Bücher gerissen und eine Nachricht über ihre Entführung darauf geschrieben. Bei erst besten Gelegenheit würde sie den Zettel jemandem zustecken. Doch sie trafen seit Tagen auf keine anderen Reisenden. So hinterließ sie weiter ihr Zeichen, bis ihr etwas besseres einfallen würde. Je weiter sie sich vom Weihnachtsdorf entfernten, um so entspannter und lockerer wurden ihre Entführer, ohne jedoch in ihrer Wachsamkeit nachzulassen.

Keiner aus der Gruppe konnte lesen. Also erklärte Paola kurzer Hand ihre Bücher zu Kochbüchern. Sie war weiterhin dafür zuständig, die Mahlzeiten zuzubereiten. Das gab ihr die Gelegenheit, bei jeder Rast nach Zutaten für das nächste Essen zu suchen. Die eine oder andere Pflanze wanderte dabei unauffällig in ihre Taschen.

Heut` Abend erreichen wir die Burg“, sagte der Boss eines Morgens. „Wir können uns nun nich mehr in dem scheiß Wald verstecken. Du warst bis jetzt brav. Wenn du versprichst, keinen Mist zu bauen und ein Kopftuch trägst, steck` ich dich nich in die verdammte Kiste.“

Paola versprach es. Bei ihrer letzten Rast kochte sie aus den Kräutern die sie heimlich gesammelt hatte einen Tee. Sie achtete peinlich darauf, selbst keinen Schluck davon zu trinken.

Danke, Schätzchen. Wir wern die Tage mit dir nich vergessen“, sagte Sieben und leckte sich über die Lippen.

Nein, dachte Paola, das werdet ihr sicher nicht.

Paola wurde immer unruhiger, je näher sie der Burg kamen. Die Wachen ließen sie ohne Kontrolle passieren. Paola wurde in ein Zimmer gesperrt.

Warte hier, bis wir mit deinem Zukünftigen gesprochen haben“, sagte Boss.

Und nich weglaufen“, lachte Vier.

Nach einer Weile wurde Paola von zwei Wachen in die große Empfangshalle geführt. Vor dem Kamin stand der Thron des Grafen. Doch er war leer. Ihre Entführer lümmelten an einer Tafel und tranken Wein. Paola beachtete sie nicht weiter. Alkohol würde die Wirkung ihres Tees nur verstärken.

Neben dem Kamin öffnete sich eine kleine Tür und ein Diener trat ein. Doch die Person, die ihm folgte, war nicht der Graf.

Sie!?“, stammelte Paola.

Ja, ich“, sagte die Frau. „Gehe ich recht in der Annahme, dass ihre Begleiter Ihnen nichts von mir erzählt haben?“

Paola war zu verwirrt, um zu antworten. Zwei kam ihr zu Hilfe: „Ne, ham wa nich. Weil sie soll ja nich wissn, dass Sie sie uns bezahln tun.“

Die Frau funkelte ihn an, sprachlos vor so viel Dummheit.

Halt´s Maul du dreckiger Bastard“, sagte Boss und schlug ihm auf den Hinterkopf.

Die Frau winkte dem Diener. Dieser warf jedem der der Banditen einen kleinen Lederbeutel zu.

Hier habt ihr euren Lohn. Und jetzt schert euch zum Teufel“, sagte die Frau.

Sie warfen Paola noch in paar schmutzige Bemerkungen zu, dann verließen sie den Saal. Paola und die Frau waren alleine.

Nun sieh mich nicht so doof an, oder hat es dir die Sprache verschlagen“, blaffte die Frau Paola an.

Paola jagten tausend Gedanken durch den Kopf. Das ergab doch alles keinen Sinn.

Wieso? Was hab ich Ihnen denn getan?“, fragte sie.

Nichts, Schätzchen, absolut nichts“, antwortete die Frau.

Aber…..“, stottere Paola.

Kein aber. Du bist Teil eines einfachen Handels zwischen dem Grafen und mir. Er bekommt dich, und dafür bringt er mich in die neue Welt.“

Paola packte die Wut.
„Wissen Sie denn, was sie mir da antun?“, schrie sie.

Aber Schätzchen, natürlich weiß ich das. Halte mich nicht für dumm. Was mit dir passiert, war nicht Teil unserer Abmachung. Ich betrachte es als einen lustigen Bonus.“

Sie wissen ja nicht, wozu er fähig ist.“

Doch, das weiß ich. Und ich muss sagen, dass ich fast etwas neidisch bin. Seine besonderen Bedürfnisse im Bett werden mir fehlen.“

Paola wurde schwindelig. Sie war von Leles Mutter entführt und verraten worden.

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