„Gibt es hier keine Nachtwache?“, fragte Fynn.
„Nein, wir gehen nach Hause wenn die Martosen so voll sind, dass sie an den Tischen schlafen oder wenn einer der Offiziere der Marten sie zum auslaufen einsammelt.“
„Wie viele andere Schiffe legen hier noch an?“
„So gut wie keine. Du bist ein Glückspilz, dass heute zwei Schiffe im Hafen liegen.“
Wenn so wenige Schiffe hier anlegten, dann war die Stadt sicher nicht so reich wie andere Handelsstädte. Er hatte einige verlassene Häuser gesehen als er durch die Stadt gelaufen war. Wenn es stimmte was die Dirne sagte, hätte es mehr marode oder verfallene Häuser geben müssen. Wovon also lebte diese Stadt?
„Woher bekommt Woldemar seine Mannschaft?“
„Die kommen alle aus der Stadt. Ab und an bringt er Frischfleisch mit wenn du verstehst was ich meine. Die lassen sich dann hier nieder, heiraten eine der Frauen deren Männer auf See geblieben sind oder eine der Dirnen.“
Menschenhandel? Konnte es sein, dass die Marten nicht das war, was ihr erster Offizier behauptet hatte? Fynn beschloss in dieser Nacht nicht zu schlafen. Solange er wach war konnte er sich notfalls wehren oder flüchten. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er noch wachsamer sein musste.
„Also Süßer, was ist jetzt mit meinen Silbertalern?“
Fynn nahm die Hand vom Tisch. Die Dirne steckte das Geld ein und holte eine neue Flasche Wein. Er nutze die Zeit, um einige der Matrosen genauer zu beobachten. Die meisten waren in seinem Alter. Es gab weder alte noch ganz junge Matrosen. Auffallend viele trugen Narben. Er zählte gut drei Dutzend Männer. Dazu die fünf in der Stube neben an und vermutlich nochmal fünf die auf dem Schiff Wache hielten. Alles in allem also knappe vier Dutzend. Er versuchte sich an das zu erinnern, was er über Schiffe und deren Besatzung gelernt hatte. Doch da war nicht viel. Wie bei Soldaten an Land gab es Offiziere, Unteroffiziere und die einfachen Matrosen. Die Unteroffiziere wurden Bootsmann oder Maat genannt. Auch die Zunftmeister wie der Schiffszimmermeister oder der Segelmachermeister und die Unteroffiziere mit wichtigen Funktionen wie der Quartiersmeister, der Küchenlotse oder der erste Steuermann gehörten zu den Unteroffizieren. Die Dirne riss ihn aus seinen Gedanken.
„Hier ist Nachschub, Süßer.“
„Wie oft macht die Marten hier Station?“
„Station? Süßer du musst dringend ein paar Grundbegriffe lernen, wenn du nicht zum Gespött der Marten werden willst.“
„Lass mich raten. Du kannst mir dabei helfen. Was kostet mich das wieder?“
„Ist im Preis mit drin. Zwei Silbertaler waren sehr großzügig.“
Verdammt, dachte Fynn. Er hätte vorsichtiger sein müssen. Wenn die anderen mitbekamen, dass er Geld hatte, wäre er in Gefahr ausgeraubt zu werden.
„Keine Angst Süßer. Du hast Glück, dass ich dich wirklich mag. Von mir erfährt niemand ein Sterbenswörtchen.“
„Danke“, sagte Fynn.
„Das hat schon lange keiner mehr zu mir gesagt“, sagte die Dirne und war leicht verlegen.
„Die Marten läuft unseren Hafen rund alle drei oder vier Monde an.“