Paola und Topa sahen sich fragend an, wunderten sich bei der Rektorin aber nicht über das seltsame Verhalten.
„Kommst du noch mit rein? Ich würde dir gerne Fynnjard vorstellen. Als Wandergeselle wohnt er hier. Ich habe ihn gefragt, ob er nicht den Sommer auf Livdröm arbeiten will. Wir wollen heute Abend zu Vendela und Boje und ihnen die gute Nachricht überbringen.“
„Das ist wirklich gut. Dann sehen wir uns später dort. Ich bringe noch die Sachen nach Hause und fahr dann mit Lele nach der Arbeit nach Livdröm.“
„Dann bis später“, sagte Paola, gab ihrem Bruder einen Kuss auf die Wange und ging hinein.
Topa wartete mit dem Schlitten vor dem Krankenhaus auf Lele. Lele rannte auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. Topa hatte alle Mühe, seine Freundin aufzufangen.
„Ich muss dir was erzählen“, plapperte Lele sofort los. „Ich habe mit Mama gesprochen. Und wir haben uns nicht gestritten. Ich habe ihr alles sachlich erklärt. Meine Ziele. Einfach Alles. Und sie hat nicht widersprochen. Und wir haben nicht gestritten, kein Wort. Oh, ich glaube jetzt wird alles gut. Also pass` auf, das war so…“
Topa war sich jetzt ganz sicher, dass Lele die Tochter der Rektorin war. So schnell konnte sonst niemand sprechen.
Als sie Livdröm erreichten, machte Topa den nächsten Versuch, zu Wort zu kommen. Da auch dieser Ansatz erfolglos blieb, packte er Lele, küsste sie und hielt ihr dabei die Nase zu. Es dauerte nicht lange, bis Lele sich losriss und nach Luft schnappte.
„Entschuldige bitte“, sagte Topa. „Aber du warst nicht anders zu stoppen.“
Lele sah ihn fragend an.
„Du hast geplappert“.
„Oh wie peinlich“, sagte sie und lief rot an. „Ich kann es immer noch nicht glauben, dass sie mir endlich zugehört hat und mich ernst genommen hat. Du weißt, wie viel mir das bedeutet.“
„Ich weiß. Und ich kann dich gut verstehen. Das ist wirklich eine sehr gute Nachricht. Ich freue mich von ganzem Herzen für dich.“
„Dann lass uns jetzt reingehen. Du hast sicher auch viel zu erzählen. Und erzähl bitte keinem, dass ich geplappert habe.“
Vendela und Boje hatten sie schon erwartet. Sie setzten sich vor den Kamin und Topa erzählte, was er und Paola in den letzten Tagen erlebt hatten.
„Und Paola hat noch eine Überraschung für euch“, schloss Topa seinen Bericht. „Es sieh so aus, als ob sie einen Wandergesellen für Livdröm gefunden hat.“
„Phantastisch“, rief Vendela. „Dann können wir den Hofladen auch diese Saison aufmachen.“
„Und wir können den Hof weiter ausbauen“, fiel ihr Boje ins Wort.
„Und uns bleibt genug Zeit, den Sommer auf Livdröm zu genießen“, unterbrach ihn Lele.
„Und unsere Hochzeit können wir auch so feiern, wie wir sie uns immer gewünscht haben“, frohlockte Vendela.
„Oh das wird ein wahnsinns Sommer“, jubelte Topa.
Schlagartig erstarrten die vier Freunde, als die Eingangstür mit lauten Donnerknall gegen die Wand knallte, aus den Angeln flog und krachend auf dem Boden liegen blieb. In dem Loch, das einmal die Tür war, stand Paola. Ihre Augen schienen zu brennen, heraus kamen aber nur kalte Blitze.
Topa erholte sich als erster von dem Schreck und machte vorsichtig einen Schritt auf seine Schwester zu.
„Paola“, sagte er zögernd. „Was ist denn….“
Paola hielt ihm wortlos einen Brief unter die Nase. Topa nahm den Brief und las ihn. Zuerst nur für sich, doch nach ein paar Zeilen hielt er inne. Dann las er laut vor:
„Liebe Frau Paola, es tut mir schrecklich leid, aber es bleibt mir keine Wahl. Eine Frau in meiner Position hat eben auch unangenehme Pflichten zu erfüllen. Aber es gibt nun einmal Regeln, die für alle gelten. Ich bin nur die unglückliche Person, die für die Einhaltung dieser Regeln sorgen muss. Die Stube die sie bewohnen, ist für Wandergesellen und Saisonarbeiter bestimmt. Ich habe diese Hütte zum Wohle des ganzen Dorfes als Unterkunft für eben diese großzügig zur Verfügung gestellt und die Miete jovial gering gestaltet. Sie werden verstehen, dass sie, liebe Frau Paola, die Voraussetzungen für eine Unterkunft in meiner Hütte nicht erfüllen. Es ist nicht meine Entscheidung. Aber zum Wohle des Dorfes wurde beschlossen, mehr Wandergesellen aufzunehmen. Wie mir zu Ohren gekommen ist, halten sie auch widerrechtlich Haustiere in ihrer Stube. Eine Frau in meiner Position kann so etwas nicht dulden. Sie haben daher ihre Stube zu räumen und an Herrn Fynnjard zu übergeben. Den unverschämten Versuch, ihn gegen die Regeln seiner Zunft und die Gesetzte und Tradition der Wandergesellen zur Arbeit auf Livdöm zu überreden, konnte ich gerade noch verhindern. Sie hätten diesen recht schaffenden Gesellen noch um sein Glück gebracht mit ihren Intrigen. Als Ausländerin leben sie nun schon lange genug in unserem Dorf und sollte gelernt haben, die Gemeinschaft zu respektieren. Drei Tage sind das äußerste, was ich für sie tun kann. Sicher freut sich ihre Familie, wenn sie ihr schreiben, dass sie bald nach Hause kommen.“