Während Topa zur Untätigkeit verdammt auf die Rückkehr von Jytte warten musste, versuchte Paola Maden anzulocken. Lele war ihr keine große Hilfe. Im Gegenteil.
„Das ist doch nicht wirklich dein ernst“, fauchte sie Paola an.
„Hast du eine bessere Idee?“gab die genervt zurück.
„Na jeden Falls eine bessere als mit einem toten Hasen wilde Tiere anzulocken!“
„Ich locke keine wilden Tiere sondern Fliegen an. Außerdem lege ich den Hasen weit genug vom Lager weg.“
„Na da werden die wilden Tiere aber beeindruckt sein.“
„Was ist dein Problem? Unser Feuer brennt auch die ganze Nacht, da beschwerst du dich nicht.“
„Okay, okay. Mal angenommen, dein Plan funktioniert. Es greifen keine wilden Tiere an und sie fressen auch nicht einfach den Hasen auf und aus irgendeinem Grund kommt die richtige Fliege angeflogen, legt ihre Eier und wir haben Maden. Was willst du dann machen?“ Lele fand ihre Argumentation und die Frage überlegen gut. Denn medizinisch konnte Paola ihr nicht das Wasser reichen und wäre auf ihre Hilfe angewiesen.
Doch die Antwort war so einfach wie trocken.
„Ich nehme die Maden und lege sie in die Wunde.“
„W..wwas?“
„Ich lege die Maden in die Wunde, dann fressen sie das tote Gewebe und Fynn wird wieder gesund.“
„Soo einfach wie du dir das vorstellst ist das nicht.“
„Aber so hast du es mir erklärt.“
„Also erstens, wissen wir nicht, welche Maden wir brauchen. Zweitens wissen wir nicht, welche Maden wir dann vor uns haben – falls das überhaupt der Fall sein sollte – und drittens bringst du Keime in die Wunde, die alles nur verschlimmern.“
„Gut“, sagte Paola. „Danke für die Lehrstunde.“ Dann nahm sie ein Messer und schlitze dem Hasen den Bauch auf. Lele dreht sich angewidert weg und konnte gerade noch verhindern, sich zu übergeben.
„Bist du bescheuert?! Du bringst ihn noch um!“, keifte Lele.
„Der ist schon tot“, antwortete Paola, die langsam genug hatte.
„Fynn!!! Ich meine Fynn! Du wirst ihn umbringen.“
„Das hast du mir jetzt oft genug gesagt! DU brauchst ja nicht mit zu machen.“
„Prima. Dann bin ich wenigstens einmal nicht schuld.“
„Jetzt fang bloß nicht wieder mit der Leier an! NIEMAND ist schuld und niemand wir sterben!Kapiert?!“
„Ach ja!? Wenn du dich da bloß nicht täuschst, Miss Oberschlau!“
Paola packte Lele am Kragen und brüllte sie an:
„Er. Wird. Nicht.sterben!“
„Warum?“, war alles was Lele vor Schreck hervorbrachte.
„Weil ich ihn mir nur so vorstellen kann. Lebendig. Etwas anderes kann es nicht geben verstehst du? Und deswegen wird er nicht sterben.“
„Lass mich los, bitte“, flehte Lele mit Tränen in den Augen.
Paola ließ sie los, drehte sich um und hob den Hasen auf. Sie lief schnurstracks in die entgegengesetzte Richtung. So konnte Lele ihre Tränen nicht sehen. Als sie am anderen Ende der Lichtung angekommen war, hängte sie den Hasen an einen Baum. Vielleicht hatte Lele recht und wilde Tiere würden den Kadaver einfach auffressen.
Dann ging sie zurück und setzte sich neben Fynn. Gut, dachte sie, dass er von dem Streit nichts mitbekommen hatte.
Lele saß mit dem Rücken zu ihr auf dem Schlitten und weinte leise. Fynn lag im sterben, Topa war immer noch verschwunden und die Freundschaft mit Paola war kaputt.