17/2017 Der letzte Winter auf Livdröm

Auf Livdröm färbten sich die ersten Blätter bunt. Boje und Vendela standen weit vor Sonnenaufgang auf, um die Tiere zu versorgen, Milch zu melken und zu verarbeiten. Die Zwillinge Elin und Keld lagen in einer Holzkiste die Onkel Pelle zu einer fahrbaren Wiege umgebaut hatte. Auch die Wichtelfamilie die mit Ihnen auf dem Hof lebte war stets mit dabei. Aber selbst die fleißigen Wichtel kamen hier an ihre Grenzen. Boje und Vendela waren längst darüber hinausgegangen. Sie lebten nicht mehr, sie funktionierten nur noch. Selbst zum reden waren sie zu müde und sprachen nur noch das nötigste miteinander. Ihre Ehe war vollkommen zum erliegen gekommen. Besonders Boje litt unter der Situation. Die Angst, seine Familie und den Hof nicht über den Winter zu bringen und Livdröm zu verlieren, war Fluch und Segen zugleich. Er hatte die Arbeit im Weinberg aufgegeben, um wenigstens die Ernte einzubringen, die notwendig war um die Tiere und den Hof mit dem wichtigsten zu versorgen. Vendela sah seinen Schmerz, war aber selbst zu müde um etwas dagegen zu unternehmen. Sie hatte wenigstens noch die wenigen Momente mit den Kindern, die sie motivierten weiter zu machen und nicht den Mut zu verlieren. Boje war nicht mehr zu erreichen.

Eines Abends saß sie in der Wohnstube und wartete mit dem Essen auf Boje. Sie erwachte, weil ihr kalt war. Das Feuer war ausgegangen während sie am Esstisch eingeschlafen war. Das Essen stand noch unberührt auf dem Tisch. Sie wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte. Der Mond schien nicht mehr durch das Fenster, also musste es weit nach Mitternacht sein. Sie packte etwas zu Essen auf einen Teller und machte sich auf die Suche nach Boje.

Schließlich fand sie ihm Stall. Dort lag er mit der Heugabel in der Hand im Stroh und schlief. Der Anblick trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie stellte den Teller ab und nahm eine der Decken für die Rentiere um ihn zuzudecken. Er schreckte hoch, als sie ihm die Heugabel aus der Hand nehmen wollte. Boje sah ihr verweintes Gesicht und fuhr hoch.

„Was ist passiert?“, wollte er wissen.

„Nichts mein Liebster. Nichts ist passiert.“

„Warum weinst du dann?“
„Weil ich Angst um dich habe. Du schuftest bis zur Erschöpfung und schläfst während der Arbeit ein. Wohin soll uns das noch führen?“

Boje schwieg. „Ich tue das doch nur für uns, damit wir eine Chance haben, unseren Traum weiter zu leben.“ Es klang fast wie eine Entschuldigung.

„Ich weiß“, sagte Vendela. „Ich möchte auch das wir weiter hier leben können. Aber nicht um jeden Preis. Wir haben eine Familie, zwei wundervolle Kinder, unsere Ehe und unsere Freunde. Was nutzt uns Livdröm, wenn wir das alles dafür müssen.“

„Willst du, dass wir aufgeben?“

„Nein. Ich möchte nur, dass wir wieder mehr Zeit für uns und unsere Freunde haben.“

„Aber Livdröm…. Ich habe dir versprochen, unsere Träume zu verwirklichen. Was sind die noch wert, ohne Livdröm? Was ist mein Versprechen dann noch wert?“

„Livdröm ist nur ein Traum. Es gibt noch andere, die wichtiger sind. Wir, unsere Familie und unsere Freunde. Livdröm können wir wieder aufbauen oder von vorne anfangen. Unsere Familie und unsere Freunde können wir nicht ersetzen.“

„Unsere Freunde sind nicht hier. Was werden sie denken, wenn sie zurück kommen und es gibt Livdröm nicht mehr? Falls Sie überhaupt zurück kommen…..“

„Sie werden zurück kommen. Und sie werden immer unsere Freunde bleiben. Wenn wir Livdröm verlieren, haben wir noch uns, mehr brauche ich nicht.“

„Und jetzt?“, fragte Boje resigniert. „Was verlangst du von mir?“

„Wir essen jetzt, dann gehen wir ins Bett, schlafen bis zum Nachmittag und verbringen den restlichen Tag mit den Kindern. Dann essen wir wieder, gehen wieder ins Bett und kümmern uns um unsere Ehe. Alles andere wird sich zeigen.“

„Können wir vor dem Essen unsere Ehe aufwecken?“

„Ich habe gehofft, dass du das sagst.“

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