Lele schmollte. Das Leben ist die Herausforderung. So ein Blödsinn. Sie war zutiefst von Fynn enttäuscht. Gerade er müsste sie doch verstehen. Und Topa hatte auch noch flüsternd zugestimmt. Wie ein Feigling hatte er sich hinter Fynns Aussage versteckt. Eigentlich spielte es keine Rolle, aber er war nun mal ihr Freund. Und da konnte sie ja wohl ein wenig Beistand erwarten. Und wenn er schon anderer Meinung war als sie, dann sollte er wenigstens die Klappe halten und ihr nicht in den Rücken fallen.
Oma Lerke konnte Leles Gedanken an ihrer Miene ablesen.
„Es ist schon spät für eine alte Frau. Lele könntest du mich nach Hause bringen? Ich würde heute gerne in meinem eigenen Bett schlafen.“
Lele war es nur recht von hier weg zu kommen. So konnte sie Topa für den Rest des Abends aus dem Weg gehen.
Den ersten Teil der Heimfahrt verbrachten sie schweigend.
„Erinnerst du dich noch an deinen Großvater?“, fragte Oma Lerke.
„Kaum“; sagte Lele nach dem sie ihre Gedanken sortiert hatte. „Ich war ja noch recht klein. Ich weiß nur, dass ich immer gerne mit seinem riesigen Bart gespielt habe.“
„Ja, du warst erst fünf Sommer alt, als dein Großvater starb.“
„Ich habe diesen Bart so sehr geliebt. Vermisst du Großvater sehr?“
„Manchmal ja, manchmal nein. Wir hatten viele tolle Sommer zusammen. Und er hat mich geliebt, dass hat er mir immer wieder gezeigt. Manchmal fehlt mir seine Art, mir zu zeigen das er mich liebt. Dann gewinnt wieder die Erinnerung an ihn und seine Art mir zu zeigen das er mich liebt die Oberhand und die Freude darüber verdrängt die Trauer.“
„Wie war Großvater denn so?“ wollte Lele wissen.
„Dein Großvater war ein Eigenbrötler. Manchmal war er so in seine Gedanken vertieft, dass er nicht ansprechbar war. Ich wusste dann nie, wo er gerade war oder was ihn beschäftigte.“
„Habt ihr nicht darüber gesprochen?“
„Manchmal ja, manchmal nein.“
„Und das hat dich nicht gestört? Man muss doch in einer Beziehung über alles reden!“
„Muss man das?“
Lele fragte sich, warum Oma Lerke das man so betonte.
„Als wir uns kennen lernten, fand ich das immer etwas seltsam. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass er diese Gedanken für sich alleine braucht, um mit sich selbst im Reinen zu sein. Und er hat gemerkt, dass er mich da nicht ganz ausschließen darf. So haben wir uns arrangiert. An unseren Gefühlen für einander hat das nie etwas geändert.“
„Über was hat er denn so gegrübelt?“
„Meist ganz einfache Dinge die ihn beschäftigt haben.“
„Ach Oma, jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.“
„Es war meist unbedeutend, zumindest für ihn. Wichtig war das Ergebnis.“
„Omaaah.“
„Er hat über alles mögliche nachgedacht oder ist in seinen Träumen versunken. Ich glaube, vieles womit er mich überrascht hat ist ihm in solchen Momenten eingefallen.“
„Man muss doch seine Träume erzählen! Topa würde ich das nicht durchgehen lassen.“
„Sind es denn noch Träume, wenn man sie ausspricht? Und wenn sie sich dann nicht verwirklichen lassen? Einen Traum hat er sich verwirklicht. Er hat immer alles getan, damit wir zusammen leben können. Die anderen hat er meist für sich behalten.“
Lele dachte eine Weile nach.
„So eine Beziehung würde ich nie wollen, das kann doch gar nicht funtionieren.“
„Es war gewöhnungsbedürftig, sagen wir mal so. Nur den Bart habe ich nie gemocht.“