Während Lele noch erstaunt dastand, reagierte Topa und nahm Oma Lerke Rentierfell und Mantel ab. Während dessen hatte Lele die Sprache wieder gefunden.
„Oma, was machst du denn hier? Ich meine, wie bist du denn her gekommen?“
Oma Lerke legte liebevoll eine Hand an Leles Wange. Dann begrüßte sie die anderen Anwesenden. Boje bot ihr eine Tasse Tee an und bat sie, vor dem Kamin Platz zu nehmen.
„Deine Mutter hat mich aufgesucht, um mich zu warnen, ich solle meinen schlechten Einfluss auf dich Lele stoppen. Nach deinem Gespräch mit deiner Mutter hatte ich kein gutes Gefühl. Und leider hat es sich bestätigt. Ihr seit Leles Freunde und ihr habt auf dem Frühlingsfest einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen, deswegen habe ich mich auf den Weg gemacht, um euch vor der Rektorin zu warnen.“
„Das ist sehr lieb von Ihnen“, sagte Paola und reichte ihr den Brief. „Aber Sie sind leider zu spät gekommen.“
Oma Lerke laß den Brief, dann lies sie die Hände in den Schoß sinken.
„Das tut mir sehr leid. Ich kann mich nur für das Verhalten meiner Tochter entschuldigen. Das sie zu so etwas fähig ist, hätte ich nicht für möglich gehalten.“
Ihr Blick war traurig, als sie den Freunden reihum in die Augen sah.
„Darf sie das denn so einfach?“, fragte Vendela plötzlich. Die ganze Zeit hatte sie geschwiegen und nach einem Ausweg gesucht.
„Nun, die Hütte gehört tatsächlich ihr und sie hat sie als Unterkunft für Wandergesellen und Saisonarbeiter zur Verfügung gestellt. Jeder im Dorf weiß das“ antwortete Oma Lerke. „Die Tradition und die Bestimmungen nach denen wir Leben, erlauben ihr, mit ihrer Hütte zu machen, was sie möchte.“
„Und die Regeln der Zünfte für Wandergesellen lassen nicht viel Spielraum zu“, ergänzte Topa.
„Hat den jemand mit dem Zunftmeister gesprochen?“ wollte Paola wissen.
„Ich bin mir sicher, dass die Rektorin ihren Einfluss gelten gemacht hat. Ich kenne den Zunftmeister, er legt die Regeln sonst nicht so streng aus“, erklärte Oma Lerke.
„Dann stehen wir wieder ganz am Anfang“, fasste Paola zusammen, was sonst keiner Aussprechen wollte. „Alle unsere Pläne sind futsch.“
Oma Lerke wandte sich an Paola: „Was wirst du nun tun?“
„Auf keinen Fall werde ich in mein Dorf zurückkehren. Vorübergehend kann ich hier unterkommen, aber nur bis das Baby da ist.“
„Und ihr?“ fragte Oma Lerke Boje und Vendela. „Was werdet ihr machen?“
„Nun, wir werden versuchen, diese Saison irgendwie zu überstehen. Wir haben etwas gespart und denken, dass es reichen wird“, fasste Vendela die Situation auf Livdröm für sie zusammen.
„Ich kann mich nur nochmal für das Verhalten meiner Tochter entschuldigen….“
„Lass nur Oma, es ist meine Schuld. Sie konnte mich nicht beherrschen, also hat sie sich meine Freunde vorgenommen um mich zu brechen“, fiel ihr Lele ins Wort.
„Liebes, das darfst du nicht mal denken. Wenn dich Schuld trifft, dann mich auch. Schließlich ist sie meine Tochter und ich habe sie aufgezogen. Sicher habe ich als Mutter Fehler gemacht. Aber fr das hier ist niemand anders als deine Mutter selbst verantwortlich.“
„Deine Oma hat recht“, sagte Vendela zu Lele. „Niemanden in diesem Raum ist Schuld an dem was passiert ist. Du bist meine beste Freundin. Ich gebe dir nicht die Schuld.“
Boje und Paola stimmten ihr zu.
„Danke, dass ihr meine Freunde seit“, sagte Lele erleichtert.
Plötzlich klatschte Oma Lerke in die Hände. „So, was machen wir nun mit dieser blöden Situation?“ Alle waren überrascht von ihrem unerwarteten Tatendrang, und brauchten ein paar Augenblicke, um zu reagieren. Das dauerte Oma Lerke zu lange, deswegen packte sie die nächste Überraschung für die Freunde aus.
„Du kannst bei uns wohnen“, bot sie Paola an. Dann zwinkerte sie Paola zu und sagte:
„Natürlich nur, wenn Lele einverstanden ist.“
„Machst du Scherze? Natürlich bin ich einverstanden.“ Lele war auf einmal voller Tatendrang. „Wir könnten die Stube neben meiner für dich herrichten. Da ist mehr Platz für dich und deine beiden Hasen als du jetzt hast.“
„Das klingt fantastisch“, freute sich Paola. Doch dann bremste sie ihre Euphorie. „Was ist denn jetzt in der Stube?“
„Nur meine alten Bücher über Kräuter, Gewürze und die Heilpflanzen der Natur. Aber ich bin mir sicher, die freuen sich über deine Gesellschaft genauso wie ich“, flachste Oma Lerke.
„Sie sind eine Kräuterfrau?“ fragte Paola erstaunt.
„Ja. Ich dachte mir, dass dich das interessiert. Und bitte, nenn` mich Oma Lerke. Alle nennen mich so. Und wir wohnen ja bald zusammen, da braucht es diese förmliche Anrede nicht.“
Alle waren froh und erleichtert und fassten wieder Mut. Vor Freude hatte keiner die Frage gestellt, woher Oma Lerke eigentlich den Schlitten hatte und wer ihn gefahren hat. Auch als Oma Lerke sich auf den Rückweg machte, stellte keiner diese Frage.
Als sie außer Sichtweite waren, zog Tomte Tummetott die Kappe vom Kopf, die ihn für die Dorfbewohner unsichtbar machte.
„Das hast du gut gemacht, alte Kräuterfrau“, scherzte er.
„Du bist nicht der einzige, dem man Zauberkräfte nachsagt, alter Kobold“, grinste Oma Lerke.