Die ersten Tage redeten sie nicht viel. Lele war ihr Wutausbruch immer noch peinlich, Topa war sich nicht sicher, was er ihr sagen sollte, Fynn grübelte abwechselnd über Paola nach und wie er sie retten konnte und Jarkko spürte, dass die anderen, allen voran Fynn, ihm nicht vertrauten.
Nach und nach forderte das hohe Tempo zum dem Fynn sie antrieb seinen Tribut. Durch die Müdigkeit wurde die Etappen immer kürzer und sie mussten sich häufiger abwechseln. Seine Erfahrung sagte Fynn, dass es keinen Sinn machte, jetzt schon zu viel Kraft zu verbrauchen. Sie hielten etwas abseits des Wegs und wollten über Nacht Pause machen und sich richtig ausschlafen.
„Komm mal mit, ich muss dir was zeigen“, flüsterte Jarkko Fynn ins Ohr.
Fynn erhob sich und folgte Jarkko einige Schritte in den Wald. Jarkko bog einen kleinen Busch zur Seite.
„Das stammt nicht von einem Tier“, sagte er und deutete auf den Boden. Im Schein des Lagerfeuers erkannte Fynn einen Kreis und ein Rechteck, die mit einem Strich verbunden waren. Er hob den Kopf und entdeckte einen nach oben abgeknickten Zweig. Tränen stiegen ihm in die Augen und er hoffte, dass Jarkko sie in der Dunkelheit nicht sehen würde. Die Zeichen konnten nur von Paola stammen. Jarkko schien also die Wahrheit gesagt zu haben. Fynn spürte eine große Erleichterung, gleichzeitig war er unheimlich stolz auf Paola.
„Du scheinst dieses Zeichen zu kennen.“
„Ja. Es ist ein See und eine Hütte. Dazwischen verläuft ein Steg.“
„Und der nach oben geknickte Zweig ist dein Orientierungszeichen.“
Fynn nickte.
„Und das andere Zeichen, wofür ist das und warum hast du es Paola verraten?“
„Das habe ich nicht. Paola und ich haben diesen Ort gefunden und dort sehr glückliche Tage verbracht. Ich habe es ihr auf den Bauch gemalt. Einfach so, es war eine spontane Idee, ohne irgendeinen Hintergedanken.“
„Scheint eine kluge Frau zu sein. Pass bloß auf, die sind anstrengend.“ Aber der Versuch, mit einem Scherz die Situation zu entspannen schlug fehl.
„Ich muss dich das fragen, das weißt du.“ Wieder nickte Fynn und antwortete ohne das Jarkko die Frage aussprechen musste:
„Wenn wir sie nicht retten können oder zu spät kommen, werde ich zerbrechen. Für immer. Wenn sie das Kind eines anderen austragen sollte, werde ich sie immer noch lieben und es wie mein eigenes Kind behandeln. Aber es wird etwas in mir zerbrechen, was nicht wieder heilen kann. Es wird die schlimmste meiner Narben.“
„Danke. Du wirst es nicht bereuen“, sagte Jarkko und reichte ihm die Hand.
——–
Leles Mutter schien heute anders zu sein als sonst. Paola kam es so vor, als sei sie irgendwie fröhlich. Beim Nachtisch erfuhr Paola auch den Grund dafür.
„Heute kam ein Brief, der Graf wird in zwei Tagen zurück sein. Er freut sich sehr über sein Geschenk und hat mich gebeten, mit den Vorbereitungen für die Hochzeit zu beginnen.“
Paola hielt mitten in der Bewegung inne. Verdammte Kuh, schimpfte sie sich selber. Du hast dich so sehr auf deine Spielchen mit Melodi Bo konzentriert und dich ablenken lassen.
„Nun, freust du dich denn gar nicht auf deinen Gemahl? Also ich freue mich“, legte Leles Mutter nach.
Drei Tage, dachte Paola. Drei Tage, dann werde ich verheiratet. Dann wird mein Wert nur noch daran gemessen, einen Erben auf die Welt zu bringen. Sie musste jetzt schnell handeln. Der Graf würde keine Zeit verlieren, da war sie sich sicher. Sie erbrach sich auf ihren Nachtisch und musste sich auf dem Weg in ihr Gefängnis auf die Wache stützen. Wenn ihr nicht schnell etwas einfiel, dann war alles verloren, dann war sie verloren und sie würde auch Fynn verlieren.