20 Ist doch schon alles verloren

Im Garten hinter dem Haupthaus stand unter einigen Olivenbäumen ein Tisch mit ein paar Stühlen. Als sie sich näherten, standen zwei ältere Personen auf und kamen ihnen entgegen.

Herzlich Willkommen. Wir freuen uns, euch kennen zu lernen, auch wenn der Anlass schrecklich ist“, sagte die Frau.

Ich bin Gaia, Paolas Mutter und das ist mein Mann und Paolas Vater Matteo.“

Herzlich Willkommen“, sagte Matteo und reichte Fynn die Hand. „Paola hat uns in ihren Briefen viel von dir erzählt. Gut, dass du hier bist.“

Sie stellten sich reihum vor. Dann bot Matteo ihnen einen Platz am Tisch an.

Bitte, setzt euch. Wir haben eine kleine Stärkung vorbereitet. Wenn ihr Hunger habt, gebe ich in der Küche Bescheid.“

Fynn lehnte dankend ab. Er wollte mit Jarkko die Burg und die Gegend darum erkunden.

Und es wäre gut, wenn wir mit der Person sprechen können, die Paola erkannt hat.“

Wir verstehen deine Eile“, sagte Matteo. „Aber auf ein Glas Wasser wird es nicht ankommen. Ihr solltet vorher noch einiges Wissen.“

Fynn bemerkte sein Unhöflichkeit und als er sah dass die anderen sich schon über die Brotzeit hermachten, gab er nach und setzte sich.

Was können sie mir über die Entführung und den Grafen erzählen?“ fragte er.

Bitte, nennt uns Gaia und Matteo. Ihr seit schließlich Paolas Freunde. Ihr wisst, dass Paola nicht unsere leibliche Tochter ist. Als wir damals mit ihr hierher zurück kehrten, haben wir sie als unsere Tochter ausgegeben. Wir hatten damals Schwierigkeiten, ein Kind zu bekommen. Im Dorf fing das Gerede schon an und die Gerüchte hätten uns schwer schaden können. Paola wuchs als unsere leibliche Tochter auf. Und da sie die erstgeborene war, war ihre Erziehung und Ausbildung darauf ausgerichtet, eines Tages die Fattoria zu übernehmen und als Oberhaupt der Familie vor zustehen. Alles das hier würde eines Tages ihr gehören. So kam es auch, dass sie schon als junges Mädchen in den besseren Kreisen verkehrte. Dort lernte sie neben den entsprechenden Umgangsformen auch die Schattenseiten, sprich die Intrigen unter den Reichen und Mächtigen kennen. Und weil unsere Familie die reichste in der Grafschaft ist, reicher als der Graf selber, war es nur normal, dass Luca, der Sohn des Grafen um sie warb. Ich weiß nicht, ob Paola ihn wirklich geliebt hat, aber er war charmant, aufmerksam und sehr einfallsreich in seinem werben. Mit der Hochzeit zwischen ihm und Paola hätte deren männlicher Nachkomme einmal die Grafschaft und unsere Ländereien geerbt. Kurz vor der Hochzeit starb der alte Graf bei einem Reitunfall während der Jagd. Die Hochzeit wurde verschoben. Luca wurde zum Graf von Cerveteri. Doch dadurch ändert sich sein Charakter, Er wurde aufbrausen, hochnäsig und aggressiv. Er quetschte das letzte aus seinen Pächtern heraus. Auch sein Verhalten gegenüber Paola änderte sich. Sie hat mir nie erzählt, was wirklich passiert ist, aber ich vermute, dass er auch ihr gegenüber handgreiflich wurde. Deswegen hat sie beschlossen, weg zu gehen. So ist sie schließlich nach einigen Stationen in eurem Dorf gelandet. Luca war wütend und hat natürlich nach ihr gesucht. Wie er sie jetzt finden konnte, wissen wir nicht. Aber wir können uns denken, warum er sie hat zurückbringen lassen. Er ist ein schlechter Graf und ein noch schlechterer Verwalter seiner Güter. Er steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Wenn er Paola heiratet und sie ein Kind bekommen, ist er gerettet.“

Wir alle machen uns große Sorgen um Paola“, sagte Jarkko als das Schweigen peinlich wurde.

Wir auch. Aber ihr dürft Paola nicht unterschätzen. Sie wird sich auf ihre Weise zu wehren wissen und Lucas Absichten so lange wie möglich verhindern. Glaubt mir, ihr wollt Paola nicht zu Feind haben“, sagte Gaia.

Danke, das beruhigt mich etwas“, sagte Fynn. „Trotzdem dürfen wir keine Zeit mehr verlieren. Komm Jarkko, wir sollten anfangen.“

Als die beiden gegangen waren fuhr Gaia fort:

Eins solltet ihr noch wissen. Die Hochzeit hat bereits stattgefunden. Wir wollten das nur nicht vor Fynn erwähnen, weil wir nicht wissen, wie er auf die Nachricht reagieren würde.“

Das wissen wir auch nicht“, sagte Lele. „Wir hielten Fynn immer für einen Wandergesellen. Seit Paola verschwinden zeigt er Fähigkeiten, die ganz und gar nicht zu einem Schreiner passen.“

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