21/2019 Neue Verbündete

„Pal ist ein Feigling. Und ein Schwächling. Er ist nur erster Offizier, weil er brutal und skrupellos ist wie sonst keiner an Bord. Der Kapitän braucht jemanden, um die Mannschaft unter Kontrolle zu halten. Du bist ein richtiger Anführer, einer der nicht durch Angst und Macht, sondern als Vorbild führt. Die Männer spüren das. Und Pal auch. Deswegen wird er dich klein halten. Er braucht dich als Zimmermann und als Kämpfer an Bord. Mit ihm hier hat er deinen schwachen Punkt gefunden und wird das gnadenlos für seine Zwecke ausnutzen.“

Fynn nickte. Jetzt ergab so einiges Sinn. Pal hatte Caper bestrafen lassen, um ihn zu treffen. Er musste zukünftig noch mehr auf der Hut sein und das in seine Überlegungen und Handlungen mit einbeziehen. Tage schien die Wahrheit zu sagen. Zumindest hatte Fynn den Eindruck, dass er dem Koch vertrauen konnte, wenn auch noch nicht bedingungslos.

„Die Mannschaft ist gespalten“, fuhr Tage fort. „Die eine Hälfte will meutern gegen Pal, die andere kriecht ihm lieber in den Arsch, klar soweit?“

„Wie kann ich wen von wem unterscheiden?“

„Ich kann dir eine handvoll Matrosen vorstellen, die dich unterstützen würden.“

„Moment. Wer sagt denn, dass ich meutern will?“

„Ay. Dir wird nichts anderes übrig bleiben. Pal wird dich irgendwann töten oder verkaufen.“

„Verkaufen?!“, rief Fynn.

„Ay, verkaufen. Die Marten ist ein Piratenschiff. Woldemar stiehlt und raubt was er kriegen kann. Dann verkauft er, was er zu Geld machen kann. Wenn es sein muss auch Menschen.“

„Warum fahren dann überhaupt Matrosen unter ihm zur See?“

„Weil sie keine Wahl haben. Du hast den Hafen und die Stadt gesehen. Woldemar ist der einzige der Ihnen Arbeit bietet. Er lässt ihre Familien ‚beschützen‘. Sprich er hat sie, genauso wie den Rest der Stadt in der Hand. Alle hier an Bord haben keine andere Wahl, wenn sie ihre Familien über die Runden bringen wollen. Alle außer dir.“

Nachdem Fynn nicht gleich antwortete, fuhr Tage fort:
„Ich kann euch ab und an eine Zusatzration Essen zuteilen. Vor allem den Jungen hier müssen wir zu essen geben. Unter seinem weitem Hemd wird es nicht auffallen, wenn er etwas zulegt, ay?“

Fynn nickte.

„Danke“; sagte er. „Aber ich habe mich noch nicht entschieden.“

Tage klopfte ihm auf die Schulter und ließ die beiden alleine.

Fynn betrachtete Casper. Alleine würde er mit der Situation an Bord besser klar kommen. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich für den Jungen verantwortlich. Sein Wunsch sein altes Leben hinter sich zu lassen war so stark, dass er die nächste beste Chance ergriffen hatte. Mit seiner Erfahrung hätte er eigentlich die Ungereimtheiten entdecken und gewarnt sein müssen.

Er beschloss mitzuspielen. Er hatte Verbündete und Unterstützung. Damit würde er es schaffen, bis sie im nächsten Hafen vor Anker gingen. Dann würde er sich heimlich von Bord schleichen. Seine Flucht war also noch nicht zu Ende. Insgesamt war seine Lage aber gar nicht so schlecht und er war zuversichtlich, das Ganze schnell zu einem relativ guten Ende zu bringen.

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