Am nächsten morgen war Paola wieder früher als gewöhnlich in der Backstube. Als Fynn die Backstube betrat räumte Paola zufällig Waren in die Auslage.
„Guten Morgen zusammen“, grüßte er freundlich wie immer. „Guten Morgen Paola“, ergänzte er erfreut.
„Guten Morgen Fynn. Das übliche?“, fragte Paola möglichst unauffällig.
Fynn nickte nur überrascht und reichte ihr seine Brotdose. Ohne zu wissen was das übliche war, packte Paola so viel sie konnte in die Dose.
„Danke“, sagte Fynn als sie ihm die Dose zurück gab. „Gibt´s heute keine Biscotti?“
„Die musst du dir verdienen“, grinste Paola. „Ich könnte deine Hilfe bei den Vorbereitungen für ein Hochzeit brauchen.“
„Das geht leider jetzt nicht, ich muss gleich los und bin sehr beschäftigt“, log er.
„Das macht nichts“, sagte Paola nüchtern. „Komm heute nach der Arbeit einfach bei Oma Lerke vorbei. Topa und Lele werden auch da sein. Weißt du wo sie wohnt?“
„Ich werde sehen, was sich machen lässt“, sagte er und verabschiedete sich.
„Danke“, sagte Paola. „Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann. Ihr Holzarbeiter seit sehr zuverlässig.“ Dann ging sie in den hinteren Teil der Backstube, um mit ihrer Arbeit zu beginnen.
Am Abend saßen Lele, Topa und Paola in Paolas Stube und gingen ihre Hochzeitsliste durch.
„In der Backstube ist alles geregelt“, verkündete Paola den neuesten Sachstand.
„Der Metzger weiß auch Bescheid und hat schon zugesagt“, ergänzte Topa.
„Und die Dorfbrauerei wird ein Hochzeitsbier brauen und die Getränke liefern“, sagte Lele und hakte auch diesen Punkt auf der Liste ab.
„Dann fehlen noch der Wichtelchor und die Kapelle der Musikschule, der Tanzboden und die Tische“ zählte Lele auf, als es an die Tür klopfte.
„Das wird Fynnjard sein“, sagte Paola und stand auf. Lele und Topa sahen sich fragend an.
„Soso, Fynnjard“, sagte Lele, aber Paola ignorierte ihren Einwand.
Schließlich kam sie mit Fynnjard im Schlepptau zurück.
„Fynn hat mir erzählt, dass er alle Arten von Holzarbeit perfekt ausführen kann. Ich dachte, er kann uns bei dem Problemchen mit den Tischen und Stühlen helfen.“
„Hallo Fynnjard“, grüßten Topa und Lele.
„Hallo, bitte nennt mich einfach Fynn. Das ist einfacher.“
Dann erzählten sie ihm von den Wünschen von Boje und Vendela und warum sie die Tische aus der Aula der Schule nicht nehmen wollen.
„Den Tanzboden bekommen wir vom Frühlingsfest, die Stühle könnten wir aus der Musikschule nehmen. Nur mit den Tischen für so viele Gäste haben wir wie gesagt noch keine Lösung“, schloss Lele ihre Erklärung.
„Wie viele Gäste sind denn eingeladen?“, wollte Fynn wissen.
„Das ist das nächste Problem“, sagte Topa. „Bei uns im Dorf ist es üblich, dass zu einer Hochzeit kommen kann wer will. Boje und Vendela leben noch nicht lange im Dorf und verbringen auch die meiste Zeit auf ihrem Hof. Deshalb können wir schwer schätzen wer kommt.“
„Dann mal anders gefragt: Hat der Hof eine Auffahrt und wenn ja, wie groß ist die?“
Topa versuchte, Fynn möglichst genau die Verhältnisse auf Livdröm zu erklären.
„Das wäre perfekt, ich hab da schon eine Idee“, sagte Fynn. Dann erzählte er seinen Plan. Als er damit fertig war, schaute er in drei erstaunte Gesichter.
„Das wäre die Sensation“, jubelte Lele. Auch Paola und Topa stimmten zu und waren Feuer und Flamme für diese Idee.
Paola war zu gerührt, um etwas zu sagen. Die Idee, die Fynn vorgeschlagen hatte, erinnerte sie an die Familienfeste und die Tradition in ihrer Heimat.
„Dann ist das also geklärt. Jetzt brauchen wir nur noch das Holz dafür“, sagte Fynn.
„Das dürfte kein Problem sein“, sagte Topa. „Zu Livdröm gehört auch ein gar nicht so kleiner Wald, da werden wir bestimmt etwas finden. Und transportieren können wir das dann mit meinen Rentieren und Schlitten.“
„Perfekt“, freute sich Fynn. Dann sah er Paola an. „Hab ich mir die Biscotti jetzt verdient?“ fragte er uns grinste.
Paola stand auf ging zu dem große Regal an der Rückseite ihrer Stube. Dort stand neben der kleinen Holzkiste die ihnen Alfsgir bei ihrem Besuch in der Herberge gegeben hatte eine Dose mit Biscotti.
„Das ist die Holzkiste, von der ich dir erzählt habe“, sagte Topa zu Lele, während sich Fynn großzügig an den Biscotti bediente.
„Kann ich die Kiste mal sehen“, fragte er.
„Meine Mutter hat darin ihre Tagebücher und Briefe aufbewahrt. Es ist das einzige, was mir von ihr geblieben ist“, sagte Paola zögerlich.
„Ich interessiere mich wirklich nur für die Kiste. Das ist eine sehr schöne und handwerklich anspruchsvolle Arbeit“, sagte er.
Paola holte die Kiste, nahm Tagebücher und Briefe heraus und reichte sie Fynn.
„Sei bitte vorsichtig. Mama hat sie in ihrem Tagebuch immer ihre Schatzkiste genannt.“
Fynn betrachtete die Kiste von allen Seiten, bevor er einen Blick hinein warf. Schließlich zog er seinen Zollstock aus der Tasche und vermaß alle Seiten der Kiste. Wieder überlegte er eine Weile und streichelte mit den Fingerspitzen über verschiedene Stellen.
„Manchmal ist eine Kiste nur eine Kiste“ sagte er. Dann drückte er mit zwei Fingern von zwei Seiten an eine Ecke der Kiste. Ein leises Klicken war zu hören. Er griff mit der anderen Hand in die Kiste und nahm den Boden heraus. „Manchmal ist es aber auch eine Schatzkiste“, sagte er und lies die anderen hineinblicken. Unter dem Boden war ein flaches Fach. Darin lag ein in ledernes Päckchen.
Zögernd nahm Paola das Päckchen heraus. Vorsichtig schlug sie das Leder zur Seite. Mit Tränen in den Augen hob sie die Kette mit dem Bernsteinanhänger hoch. Bei ihrem Anblick hatten auch Lele und Topa Tränen in den Augen.