23/2017 Zurück zum Anfang

Nach zwei Tagen hatten sie genügend Vorräte für die Heimreise zusammen. Da nicht nur die Nächte sondern auch die Tage kälter wurden, kam zu dem Proviant noch ein paar Decken und Rentierfelle und warme Kleidung hinzu. Mit nur einem Schlitten wurde es etwas eng, deswegen ließen sie einen Teil der Ausrüstung bei Opa Kester zurück. Beim Abschied umarmte Jytte Topa. Opa Kester und Lele verfolgten die Szene mit Erstaunen. Der eine aus Verwunderung, die andere eher misstrauisch.

Fynn erholte sich während der Reise jeden Tag ein Stück mehr. Die Wunde verheilte gut und bald konnte er bei alltäglichen Dingen wieder mit helfen. Die Gespräche während der Fahrt und Abends am Lagerfeuer drehten meist um die Erlebnisse während ihres Abenteuers.

„Mich würde interessieren, wie seine Flucht weitergegangen ist. Wie ist Fynn schließlich in unser Dorf gekommen?“, fragte Lele eines Abends, als Topa und Fynn sie nicht hören konnte.

Und so kam es, dass Fynn eines Abends am Lagerfeuer die Geschichte seiner Flucht in ein neues Leben weiter erzählte.

„Nach dem ich die erste Nacht überstanden hatte, hielt ich mich noch drei weitere Tage versteckt. Ich folgte dem Flusslauf weiter, machte aber einen Bogen um jedes Dorf. Nach fünf Tagen kam ich an eine einsame Mühle. Der Müller und seine Familie nahmen mich auf. Als Soldaten hatten wir gelernt, feste Lager und Behausungen zu bauen und unser Kriegsgerät zu reparieren. Die Mühle hatte ihre besten Zeiten hinter sich. Ich gab mich als Zimmermannsgeselle auf Wanderschaft aus. Der Müller stellte weiter keine Fragen. Er war froh, dass sich jemand um die Schäden an seiner Mühle kümmerte. Im Gegenzug erhielt ich neue Kleidung, Essen und Unterkunft.“

„Und diese Tarnung hast du seit dem nicht mehr abgelegt?“, fragte Lele.

„Naja, bei dem Müller hatte das ganz gut funktioniert. Im nächsten Dorf glaubte man mir die Geschichte ebenso. Schließlich hatte ich ja mein eigenes Werkzeug.“

„Wie lange hast du so gelebt?“, wollte Paola wissen.

„Zwei Sommer und einen Winter, bis ich schließlich am Meer angekommen bin.“

Wieder war es Lele, die die nächste Frage stellte:
„Vermisst du deine Heimat?“

„Ich hatte nie eine Heimat.“

„Und deine Familie? Deine Eltern und Geschwister?“

„Auch die hatte ich nie.“ Nach einer kleinen Pause fuhr Fynn fort: „Seit ich mich erinnern kann, lebte ich am Hof eines mächtigen Kriegerfürsten. Meine Kindheit bestand darin, mich zusammen mit anderen Jungs ohne Familie auf das Leben eines Soldaten vorzubereiten. Die Mägde und Knechte des Fürsten kümmerten sich um uns, wenn wir gerade mal nicht gedrillt wurden. Sie waren so etwas wie meine Familie.“

„Aber wie bist du dorthin gekommen?“

„Alle zwei Sommer kamen neue Kinder an den Hof, manchmal noch Säuglinge, aber nie Älter als einen oder höchstens zwei Sommer. Das Gesinde erzählte sich, die Kinder wären geraubt worden. Andere behaupteten, sie seinen ein Pfand oder Tribut, dass der Fürst von anderen Fürsten und Adligen einforderte.“

„Lasst uns schlafen gehen“, sagte Paola. „Wenn wir uns beeilen, können wir in drei Tagen zuhause sein.“

In zwei Tagen war Weihnachten.

„Wenn wir nur kurze Pausen machen und auch Nachts nur wenig schlafen, dann schaffen wir es noch bis Weihnachten“, sagte Topa.

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