23 Ein hoher Preis

Fynn, Topa und Paolas Familie erwarteten sie schon. Lele gab Fynn den Zettel. Der warf einen kurzen Blick hinein, dann las er laut vor:

„Morgen Nacht. Wachen in Burg außer Gefecht“

„Wachen außer Gefecht?“, fragte Topa.

„Ich denke, meine Paola wird ihrer Hexenkünste anwenden“, grinste Fynn.

Dann musste Lele erzählen, was in der Burg geschehen war. Topa platzte fast vor Stolz, doch Fynn lies ihn nicht zu Wort kommen.

„So sieht unser Plan aus“, sagte er. „Lele und Topa seht nach den Rentieren und den Schlitten; prüft, ob alles in Ordnung ist. Dann fahrt mit einem Schlitten ein paar mal um die Burg. Prägt euch die Gegend so gut es geht ein. Morgen Nacht müsst ihr euch dort im Dunkel zurecht finden. Matteo und Gaia, sorgt bitte für Proviant und Futter für mindestens 5 Tage. Heute Nacht bleiben wir wach. Wir schlafen morgen am Tag. Kurz bevor der Mond am höchsten steht, brechen wir auf. Wir befreien Paola und machen uns dann sofort auf dem Heimweg. Die ersten 3 Tage fahren wir durch.“

„Ihr habt nur ein Paar Rentiere als Ersatz“, sagte Matteo. „Ich gebe euch zwei Paar Rentiere. Eine Tagesreise von hier hat ein guter Freund ein Gasthaus. Toni wird eure Rentiere dort hin bringen und nach dem ihr gewechselt habt mit unseren wieder zurück kommen.“

Fynn sah Topa an. Der nickte und sagte: „Wenn wir heute und morgen mit den Rentieren von Matteo etwas üben können, dann können wir sie morgen Nacht einsetzen.“

„Dann machen wir das so.“

Die Vorbereitungen dauerten die ganze Nacht. Am nächsten Abend verabschiedeten sie sich von Matteo und Gaia, verteilten sich paarweise auf die beiden Schlitten und brachen auf, um Paola zu retten. Lele und Fynn saßen auf einem Schlitten, Jarkko und Topa auf dem anderen.

Topa steuerte den Schlitten auf linke Seite der Burg. Am Eckturm suchte er ein Versteck. Jarkko feuerte je einen Schuss mit den beiden Langbögen in Richtung der Burg.

„Merk dir diese Entfernung. Die Wachen haben keine Langbögen, ihre Pfeile können uns nicht erreichen. Von unserer Position aus sehen wir zwei Seiten der Burg. Du fährst mich abwechselnd an einer Seite entlang, hier her zurück und dann die andere Seite entlang. Sorge dafür, dass wir möglichst viel Krach machen und du immer mit der gleichen Geschwindigkeit fährst. Für die Wachen wird es aussehen, als ob mehrere Schützen angreifen. Das wird die Wache von der gegenüberliegenden Seite der Burg abziehen und Fynn hat freie Bahn. Sobald Fynn mit Paola in Sicherheit ist, gibt er uns ein Zeichen und wir machen uns aus dem Staub.“

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Auf der gegenüberliegenden Seite versteckte Lele den Schlitten in einer Baumgruppe.

„Sobald die Wachen von der Burgmauer verschwunden sind, bringst du mich zur Mauer. Dann fährst du zur Rückseite der Burg. Dort findest du ein kleines Tor. Binde ein Seil um den Torknauf. Das andere Ende verbindest du fest mit dem Geschirr der Rentiere. Sobald ich mit Paola an dem Tor bin, klopfen wir vier mal. Dann fahr los und reiß das Tor ein. Wiederhole den Ablauf.“

Lele gehorchte und wiederholte, was Fynn ihr gesagt hatte.

„Woher wissen Topa und Jarkko, wann sie sich in Sicherheit bringen sollen?“

Fynn deutete auf einen kleinen Korb, in dem ein Tongefäß mit Deckel lag.

„Darin befindet sich etwas Glut. Sobald wir draußen sind, schieße ich einen brennenden Pfeil in den Nachthimmel. Das ist das verabredete Zeichen.“

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Jarkko legte den ersten Pfeil auf die Sehne und spannte den Bogen.

„Jetzt“, sagte er und Topa fuhr los. Fynn zielte und schätze die Geschwindigkeit mit der Topa fuhr ein, dann ließ er die Sehe los. Der Pfeil flog lautlos durch die Nacht und schlug knapp neben einer der Wachen gegen die Burgmauer. Die Wache erschrak, gab aber im nächsten Moment schon Alarm. Ein paar Zinnen weiter schlug der nächste Pfeil gegen die Mauer, dann der nächste und der nächste.

„Verdammt“, rief eine der Wachen. „Wie viele sind da draußen?“

„Keine Ahnung sagte der Soldat neben ihm. Aber es ist wohl besser, du holst Verstärkung.“

Der erste Soldat nahm das Horn an den Mund und gab Alarm.

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Auf der anderen Seite hörten nicht nur die Wachen das Signal, sondern auch Fynn und Lele. Zu Leles Erstaunen verschwanden die Wachen von der Burgmauer.

„Los jetzt!“, sagte Fynn.

Am Fuß der Mauer angekommen sprang Fynn vom Schlitten, schnappte sich seine Ausrüstung und gab Lele ein Zeichen. Dann nahm er ein Seil mit einem Enterhaken und warf es über die Mauer. Kurz bevor er oben angekommen war, zog er sein Messer und hielt es zwischen den Zähnen fest. Dann schwang er sich mit einem kräftigem Ruck über die Mauerkrone. Er war alleine auf dem Wehrgang. Er suchte die Fenster ab und fand im 1. Stock, wonach er suchte. Ein hell erleuchtetes Fenster mit zurückgezogenen Vorhängen. Darin war eine Frau zu sehen. Paola. Er schloss kurz die Augen, um sich wieder zu sammeln. Dann rannte er geduckt den Wehrgang entlang. Die Tür zur Burg hatten die Wachen in der Eile offen gelassen.

Drinnen spähte er um eine Ecke und sah eine Wache auf dem Boden liegen. Paola hatte es also geschafft, das musste die Tür zu ihrem Zimmer sein. Fynn durchsuchte den bewusstlosen Soldaten, fand den Schlüssel und öffnete die Tür. Dann lagen Paola und er sich endlich wieder in den Armen. Paola weinte und auch Fynn standen die Tränen in den Augen.

„Jetzt komm“, sagte er. „Wir müssen uns beeilen.“

Sie traten hinaus auf den Gang, als drei Soldaten um die Ecke kamen. Der Graf musste den Braten gerochen haben und Verstärkung geschickt haben. Sie zogen ihre Schwerter und rannten Fynn entgegen. Der dachte nicht nach, sondern rannte einfach auf seine Gegner zu.

‚Zu Fall bringen‘ schoss es ihm durch den Kopf. Er warf sich dem ersten Soldaten vor die Füße. Der versuchte stehen zu bleiben, doch seine Kameraden rannten in ihn hinein. Alle drei stolperten über den am Boden liegenden Fynn. Der schnellte hoch, drehte sich um und packte den Soldat der ihm am nächsten lag am Kragen und zog ihn auf die Beine. Die anderen beiden hatten mittlerweile kehrt gemacht und rannten wieder auf ihn zu. Er gab dem Soldat einen kräftigen Schubs und er prallte mit einem der Angreifer zusammen. Fynn duckte sich unter dem Schwert des dritten Angreifers, packte ihm am Handgelenk und rammte ihm die Schulter in den Solarplexus. Der Soldat sackte bewusstlos zu Boden. Blieb noch einer übrig. Der stand nur ein paar Schritte entfernt. In der einen Hand hielt er sein Schwert, in der anderen ein Stillet. An der Art wie er es hielt, erkannte Fynn, dass er es mit einem erfahrenen Kämpfer zu tun hatte. Fynn zog sein Schert und griff nach seinem Messer. Doch sein Gürtel war leer. Er musste das Messer bei dem Kampf verloren haben. Nur mit dem Schwert, würde es ein schwerer Kampf werden. Der Soldat griff an. Fynn wehrte seine Schwerthiebe ab und wich gleichzeitig de Stillet aus. Lang würde er das nicht schaffen. ‚Faust auf Faust‘ dachte er sich. Er wartete bis der Soldat wieder zum Schlag ausholte. Dann schlug er mit voller Wucht gegen das Schwert seines Gegners, drehte sich blitzschnell um die Achse und trat mit voller Wucht zu. Er traf den Soldaten knapp oberhalb des linken Knies. Der ging zu Boden und Fynn lies seinen Schwertknauf auf seinen Kopf knallen. Nummer drei sank bewusstlos zu Boden.

„Los jetzt“, keucht er. „Bevor noch mehr von den Burschen kommen.“ Er packte Paola am Handgelenk und sie rannten los. Die Treppe runter und den Gang unter dem Wehrgang entlang bis sie zu einer gläsernen Tür zum Garten gelangten. Fynn schlug mit seinem Schwert die Scheibe ein und sie waren im Garten. Nur noch ein kurzes Stück bis zum Tor, dann hatten sie es geschafft.

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Lele hatte ein kleines Problem, das alte Tor zu finden. Ein noch größeres Problem hatte sie, als sie es schließlich gefunden hatte. Es war fast komplett mit Efeu bewachsen. Lele tastete nach dem Torknauf, fand aber keinen. Also begann sie, den Efeu vom Tor zu reißen. Schnell hatte sie blutige Hände, jedoch noch keine nennenswerten Fortschritte gemacht. Sie suchte auf dem Schlitten nach einem geeigneten Werkzeug, fand aber nichts.

Plötzlich hörte sie Glas splittern. Das musste Fynn sein und hoffentlich war Paola bei ihm. Lele sprang vom Schlitten, und spannte eines der Rentiere aus. Sie stellte es mit dem Hinterteil vor das Tor und gab ihm einen heftigen Klaps auf das selbe. Das Ren schlug mit den Hufen aus und traf auch tatsächlich das Tor. Doch das Tor hielt. Lele wiederholte den Klaps und diesmal brach einer der Torflügel aus der Angel.

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Paola sah das Tor, aber es war verschlossen. Fynn war hinter ihr. Mit einem lauten Knall landete einer der Torflügel auf dem Boden. Sie waren frei. Sie rannte durch das Tor und fiel Lele in die Arme.

„Wo ist Fynn?“, fragte Lele. Paola drehte sich um und sah Fynn wenige Schritte vor dem Tor auf dem Boden liegen.

Sie rannten zu ihm. Als sie sich über ihn beugten, sahen sie einen dunklen Fleck auf seiner Seite. Fynn blutete.

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