Lele dachte an die letzten Abende auf Livdröm zurück. Sie saßen vor dem offenen Feuer in der Wohnstube und die Paare kuschelten sich aneinander. Seit der Rückkehr aus Italien hatten sie viele Abende so verbracht und es war zur Tradition geworden, dass abwechselnd einer Geschichten aus seinem Leben erzählte. Lele kam sich dabei immer etwas abseits vor. Sie konnte lediglich von ihrem langweiligen Alltag im Krankenhaus erzählen. Sonst hatte sie ihrer Ansicht nach nichts erlebt, das es wert wäre erzählt zu werden. Vor allem um das peinliche Thema Mama und ihre gescheiterten Beziehungen machte sie einen weiten Bogen. Am spannendsten war die Geschichte von Fynn. Sein aufregendes Leben als Soldat, die vielen Kämpfe die er erlebt und gewonnen hatte waren Abenteuer pur. Lele blickte Fynn an und der nickte ihr fast unmerklich zu.
„Fynn“, sagte Lele. „Magst du heute deine Geschichte weiter erzählen?“
Nach dem nicht alle anwesenden bei des ersten Erzählungen während der letzten Reise dabei waren, hatte Fynn seine Geschichte von vorne erzählen müssen. Der Kampf auf der Brücke vor der Stadt Ogre, sein Sturz ins Wasser und wie er sich mit letzter Kraft ans Ufer retten konnte und der erste Teil seines langen Weges in ein neues Leben; all das hatte er an so manchem Abend erzählt.
„Da stand ich also nun in diesem kleinen Hafen und hielt nach einem Schiff für die Überfahrt Ausschau. Ich hatte keine Ahnung, wo ich hin wollte oder konnte. Hauptsache weit weg. So beschloss ich auf dem erstbesten Schiff anzuheuern und dahin zu gehen wo das Schicksal mich hinführte. Neben den kleinen Booten der Fischer lag nur ein weiteres kleines Schiff am Kai. Weiter draußen lag ein etwas größeres Schiff vor Anker. Ich näherte mich dem kleinen Schiff. Die Schiffswache trat mir entgegen und griff nach ihrem Schwert.“
“Halt! Keinen Schritt weiter wenn du am Leben hängst.“
Fynn musterte den Mann. Er war kleiner als er, schlechter bewaffnet und nicht wirklich eine Gefahr für ihn.
„Hol deinen Kapitän wenn du nicht morgen früh am Mast baumeln willst“ erwiderte Fynn. Er hatte den Matrosen richtig eingeschätzt. Der war es nicht gewohnt Befehle zu geben sondern zu gehorchen.
„Los, hol den Kapitän du fauler Hund“ fauchte der Matrose. Aus dem Schatten des Schiffs löste sich eine zweite Gestalt, huschte die Planke hinauf und verschwand hinter der Reling.
Kurz darauf erschien ein kleiner, etwas dicklicher und sichtlich verschlafener Mann an der Reling.
„Was willst du?“ fragte er barsch.
„Seit ihr der Kapitän dieses Schiffes?“
„Ja, also was willst du?“
„Braucht ihr noch einen kräftigen Mann an Bord“?
„Du willst bei mir anheuern? Wer bist du Bursche und was kannst du mir nützen?“
„Wer ich bin tut nichts zur Sache. Aber ich bin kräftig und kann alle Arbeiten an Bord verrichten. Vielleicht habt ihr ja Verwendung für einen Zimmermann. Wohin fahrt ihr?“
„Ich bin Händler und fahre die Küsten in diesen Gewässern ab um in den Häfen meinen Geschäften nach zu gehen. Einen Zimmermann kann ich nicht brauchen. Aber du kannst als einfacher Matrose bei mir anheuern.“
Fynn lehnte dankend ab. Das Schiff würde ihn nicht weit genug weg bringen.