„Warum hast du Pal nicht einfach über Bord geworfen? Im Kampf hättest du ihn leicht besiegt“, fragte Lele ungeduldig.
„Und was dann?“, antwortete Fynn mit einer Frage.
„Dann hätte die Mannschaft dich zum ersten Offizier gemacht und die Probleme an Bord hätten sich erledigt.“
Doch so einfach waren die Dinge nicht.
„Sicher“, erwiderte Fynn. „Pal wäre Tot, ich hätte einen Mord auf dem Gewissen und was dann?“
„Ach was, Mord. Du hast doch schon öfter getötet. Und Pal hätte es verdient.“ Leles Antwort war genauso trotzig wie naiv. Nur nicht für Lele.
„Kindchen“, mischte sich Oma Lerke ein. „Nun lass Fynn doch erst mal erzählen.“
Tomte Tumetott nickte als Zeichen seines Respekts vor der Weisheit seiner alten Freundin.
Casper kam langsam wieder zu Kräften. Zwar übernahm er wie jeder andere seine Wache an Bord, doch Fynn achtete weiter darauf, dass er nur Aufgaben übernahm, denen er auch gewachsen war. Zwei Matrosen mit einem grünen Schleifchen am Gürtel halfen ihm unauffällig und brachten ihm und Fynn die notwendigen Handgriffe bei. Beide lernten schnell, doch Casper war immer noch das auserwählte Opfer von Pal. So sehr der Junge sich auch anstrengte, Pal fand immer einen Grund, ihn zu schikanieren.
„Der Junge redet nicht“, sagte Tahge eines Abends zu Fynn.
„Ay“, sagte Fynn nachdenklich. „Ist wohl auch besser so.“
„Mag sein. Pass nur auf, dass der Junge das Reden nicht verlernt. Nicht jeder an Bord versteht das.“
„Wir segeln jetzt schon einen halben Mond die Küste entlang, ohne dass ein anderes Schiff oder ein Hafen in Sicht ist.“
„Geduld mein Freund,“ sagte Tahge. „Solange wir nur segeln, kommt niemand zu schaden.“
Und ich keine Gelegenheit zur Flucht, dachte Fynn. Wie recht Tahge hatte, sollte Fynn bald genug am eigenen Leib erleben.
Am nächsten Morgen wurde Fynn zum Kapitän gerufen. Der saß in seiner Kajüte über eine Karte gebeugt. Links und rechts flankiert von zwei Wachen, im Hintergrund stand Pal.
„Hast du mir nicht erzählt, das andere Schiff würde nach Norden segeln?“ Woldemar würdigte Fynn keines Blickes dabei.
„Ay, Kapitän.“
„Nun, sowenig wie ich das Schiff auf der Karte finden kann, so wenig sehe ich es auf See. Wir hätte n den Kahn schon längst aufbringen müssen.“
Fynn schwieg, er konnte die Situation nicht einschätzen.
„Wenn du mich verarscht hast und ich keine Beute mache, verkaufe ich dich und den Jungen im nächsten Hafen. Viel wird der Jammerlappen nicht bringen, aber für dich dürfte ich ein hübsches Sümmchen bekommen.“
„Kapitän,“ meldete sich Pal zu Wort. „Verkauft mir den Jungen, ich zahle auch das doppelte.“
„Wer mich bezahlt ist mir egal. Und jetzt raus und bete, dass wir bald Beute machen.“
Damit war Fynn entlassen. Zurück an Deck erzählte er Tahge von der Begegnung.
„Ein Dorf oder eine Stadt an Land zu überfallen ist riskant. Zu viele Zeugen und nur schwer zu kontrollieren, ob nicht doch einer flüchtet und Hilfe holt. Damit wäre die Tarnung als Händler gefährdet“, antwortete der Smut.
Doch Fynn dachte weiter. Der Kapitän müsste Männer als Wache an Bord zurück lassen. Die Anzahl der möglichen Gegner bei so einem Überfall wäre auch schwerer einzuschätzen. Und nicht nur die Gegner könnten fliehen, auch für ihn wäre es leichter, sich im Kampfgetümmel unbemerkt davon zu schleichen.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach nicht nur die Geschichte sondern war auch der Anfang des nächsten Abenteuers der Freunde.