Tante Unn und Paola saßen in der Backstube. Das Tagwerk war erledigt und die Mitarbeiter waren gegangen.
„Paola, kannst du bitte noch die Einkäufe für die nächsten Tage planen?“
Tante Unn wusste, dass Paola wichtige Aufgaben wie diese zuverlässig erledigte. Paola kannte mittlerweile fast alle Rezepte auswendig und hat ein sehr gutes Gefühl dafür entwickelt, wie viel sie von welcher Ware verkaufen konnten.
„Danke“, sagte Tante Unn, als Paola ihr die fertige Liste gab. „Du leistest hier wirklich gute Arbeit. Nicht nur, dass wir jetzt neue Rezepte haben, du hast auch ein gutes Gespür dafür, was hier im Dorf ankommt und den Leuten schmeckt.“
„Ich muss dir danken“, erwiderte Paola. „Mir macht die Arbeit viel Spaß. Die Leute sind sehr freundlich und hilfsbereit.“
„Freut mich, dass zu hören“, antwortete Tante Unn. „Hin und wieder kommt mir der Gedanke, ob du dich bei uns wirklich wohl fühlst.“
„Ja, warum nicht? Wie gesagt, die Leute sind freundlich und hilfsbereit, die Arbeit macht mir Spaß und ich habe eine nette kleine Stube in der Hütte für die Saisonarbeiter.“
Tante Unn war das kleine Zögern nicht entgangen.
„Aber du kannst doch nicht die ganze Zeit in dieser kleinen Stube wohnen. Und du bist oft sehr lange in der Backstube. Und Abends kochst du oft noch für uns oder andere Familien. Du solltest ausgehen und neue Freunde kennenlernen.“
Wieder brauchte Paola einen kleinen Moment, um sich ihre Antwort zurechtzulegen.
„Das ist wirklich lieb von dir“, sagte sie schließlich. „Aber es ist im Moment wirklich alles in Ordnung und ich bin zufrieden und glücklich.“
„Vermisst du denn deine Heimat, deine Eltern und deinen Verlobten gar nicht?“, wunderte sich Tante Unn.
„Schau mich bitte nicht so fragend an. Ich fühle mich hier wirklich wohl, fast wie zuhause. Meine Eltern freuen sich sehr für mich. Wir schreiben uns regelmäßig.“
„Und dein Verlobter?“
„Ach, wir haben uns schon vor meiner Abreise nicht mehr sehr gut verstanden. Er hat mir über meine Mutter ein Ultimatum gesetzt, bis wann ich ihn heiraten soll. Sonst löst er die Verlobung.“
„Was wirst du tun?“
„Nichts. Das Ultimatum ist schon lange vorbei.“
„Wie so hast du denn nie etwas gesagt?“
An dem Vorwurf in ihrer Stimme konnte Paola erkennen, dass Tante Unn von ihrer Geschichte nicht überzeugt war. Paola spürte, dass sie jetzt sehr vorsichtig und gleichzeitig glaubhaft sein musste.
„Für mich war das Thema erledigt. Er war nicht der Richtige. Außerdem wollte ich hierbleiben. So war es mir möglich, mich ganz auf das zu konzentrieren, was das Leben mir hier bietet.“
„Wahrscheinlich hast du recht“, antwortete Tante Unn. „Und wenn er mit dir nur über deine Mutter etwas ausrichten lässt statt mit dir selbst zu schreiben, dann hat er eben Pech“, versuchte sie Paola aufzumuntern. Paola war froh, das Tante Unn sich mit ihrer Erklärung zufrieden gab.
„Aber du kannst nicht ewig in dieser kleinen Stube wohnen bleiben. Wenn du möchtest, suchen wir dir eine ordentliche Wohnung.“
„Danke. Ich bin mit der Stube zufrieden, ich bin ja meist eh nur zum schlafen dort.Und ich zahle nicht viel Miete und durch die Saisonarbeiter ist immer was los.“
„Wie du möchtest. Und jetzt lass´uns Schluss machen für heute. Was hältst du davon, wenn du heute bei uns mit zu Abend isst?“ fragte Tante Unn.
„Sehr gerne“ antwortete Paola, stand auf und zog ihre Jacke an.
Tante Unn war erleichtert, dass für Paola alles so gut lief und sie weiter auf sie zählen konnte. Und Paola war froh, dass Tante Unn sich mit ihren Antworten zufrieden gab. So konnte alles so bleiben wie es war.