Welche Möglichkeit Fynn auch im Kopf durchspielte, er fand keinen Ausweg. Im Kampf sterben galt unter Soldaten und in der Bevölkerung als ehrenvoll. Doch Fynn hatte nie verstanden, was daran ehrenvoll sein sollte. Schließlich war man dann tot. Seit er sich erinnern konnte, hat er das Leben eines Kämpfers geführt. Doch das mögliche Ende eines solchen Lebens hatte er immer verdrängt. Und jetzt war es plötzlich da. Und plötzlich wurde ihm bewusst, dass er nicht sterben wollte. Er wollte leben. Seine Gegner würden ihn nicht verschonen. Dafür war sein Ruf, sich nie geschlagen zu geben zu groß. Viele hatten seinen Willen zu siegen unterschätzt und mit dem Leben bezahlt. Oft hatte er so getan, als sei er geschlagen um seine Gegner in Sicherheit zu wiegen und tödlich zu überraschen. Doch diesmal würde es nicht klappen, da war er ich sicher.
„Er ist erst besiegt wenn er tot ist“, hatte der Anführer die Soldaten die ihn umzingelt hatten gewarnt.
Jarkko, ihr Anführer, war Fynn ebenbürtig. Jeder kannte den Ruf des anderen. Auf dem Schlachtfeld waren sie sich als Gegner stets aus dem Weg gegangen. Beide hatten stets geahnt, dass einer von ihnen einen Zweikampf nicht überleben würde. Und genauso würde es jetzt passieren. Das sie beide damit falsch lagen, ahnten sie zu diesem Zeitpunkt nicht.
Fynn blickte abwechselnd zu Jarkko, dann wieder zum Rand der Brücke und hinunter in den Fluss. Wenn er es schaffen würde, über das Geländer in den Fluss zu springen, wäre er dem unmittelbaren Tod entronnen. Dann müsste er es nur noch schaffen, in voller Kampfausrüstung nicht zu ertrinken, nicht von Treibgut erschlagen zu werden und dem kalten Wasser trotzen. Keine rosigen Aussichten, aber die einzige Aussicht, die er hatte.
Jarkko stand am nächsten zum Rand der Brücke. Fynn ließ seinen Schild fallen, löste seinen Waffengurt und ließ ihn achtlos zu Boden fallen. Dann nahm das Schwert in beide Hände, hob es über den Kopf und stürmte auf Jarkko zu.
Jarkko ließ seine Streitaxt fallen und hielt nun mit beiden Händen seinen Schild fest, um von dem Aufprall der gleich folgen würde nicht von den Beinen geholt zu werden. Kurz vor dem Aufprall drehte Fynn die rechte Schulter nach vorne. Dann krachten beide aufeinander. Jarkko hatte Fynns Absicht erkannt. Als Fynn seine Schulter nach vorne nahm, zog Jarkko seinen rechten Fuß nach hinten und drehte sich zur Seite, um nicht frontal mit Fynn zusammen zu stoßen. Fynn krachte seitlich in Jarkko. Die Wucht des Aufpralls schleuderte ihn nach links in Richtung Brückengeländer. Statt abzubremsen nutzte er den Schwung um sich über das Geländer in den Fluss schleudern zu lassen.
Der erste Teil seines Plans hatte funktioniert. Jetzt hatte ihn das kalte Wasser in seinem eisernen Griff und zog ihn in die Tiefe.
Im Fallen warf Fynn sein Schwert weg. Nun versuchte er, sein Wams auf zu knöpfen. Seine Finger verkrampften in dem kalten Wasser und die Luft ging ihm langsam aus. Als er den Grund des Flusses unter seinen Füßen spürte, gelang es ihm sein Wams zu öffnen und einen Arm zu befreien. Er schaffte es, auch den zweiten Arm aus dem Wams zu ziehen und spürte, wie die Kraft der Strömung nachließ. Dann versuchte er, an die Oberfläche zu schwimmen. Die Strömung, das Gewicht seiner Kleidung und das kalte Wasser raubten ihm schneller die Kraft als er vermutet hatte. Seine Lungen schrien nach Luft und er hatte alle Mühe, gegen die Atemnot anzukämpfen. Doch er kämpfte weiter und als er glaubte, das Licht an der Oberfläche erkennen zu können, mobilisierte er die letzten Kräfte.
Kaum an der Oberfläche angekommen, traf ihn ein Baumstamm der von den Fluten mitgerissen worden war an der Schulter.