7/2017 Kinder haften für ihre Eltern

Paola fiel es schwer, den Gedanken und Gefühlen von Lele zu folgen.

„Es tut mir leid Lele, wie kannst du dir da so sicher sein?“

„Na was glaubst du denn?“, raunzte Lele sie an. „Die werden sich doch das Maul zerreißen über uns.“

„Über uns?“

„Über dich auch! Und über Fynn, wenn sie herausfinden, dass er über seine Vergangenheit gelogen hat!“

„Jetzt lass uns erst mal nach Hause kommen, dann sehen wir, ob es wirklich so ist, wie du sagst“, versuchte sie Lele zu beruhigen.

„Nach Hause? Was ist das schon für ein zuhause, wo man nur zum Gespött der Leute wird.“

„Also ich kenne ein paar Leute, die sicher nicht so reagieren werden.“

„Ach ja, wen denn?“

„Fynn, mich, Vendela, Boje, Oma Lerke, Topa und jeden, der dich kennt.“

„Wie kannst du mir verzeihen, was ich euch angetan habe!“

„Da gibt es nichts zu verzeihen, verstehst du das denn nicht? Auch Fynn gibt dir nicht die Schuld an…“

„Aber es war meine Mutter, schon vergessen?“ Lele schrie jetzt fast.

„Wir drehen uns hier im Kreis“, sagte Paola resigniert.

„Kinder werden eben nun mal an den Taten ihrer Eltern gemessen. Das war schon immer so bei uns im Dorf.“

Paola startete einen letzten Versuch: „Wie kannst du Schuld an etwas sein, was DU nicht getan hast? Wenn Fynn und ich einmal Kinder haben, werden sie auch nicht schuld sein an dem, was Fynn als Soldat getan hat.“

„Du willst Kinder mit ihm? Er hat auch dich über sein früheres Leben belogen. Und was er wirklich alles getan hat, dass wissen wir ja noch gar nicht.“

„Nein, dass wissen wir nicht. Aber auch ich war nicht ganz ehrlich zu ihm und zu euch auch nicht. Sollen daran dann meine Kinder schuld sein? Als Kinder tragen wir keine Schuld an den Fehlern unserer Eltern. Wir tragen die Verantwortung, dass sie sich nicht wiederholen und das wir daraus lernen. So kann aus Schlechtem Gutes werden und die Welt wird wieder ein Stückchen besser.“

„Aber du kannst das alles nicht ungeschehen machen oder so tun, als sei nichts passiert!“

„Ich liebe Fynn, daran wird auch seine Vergangenheit nichts ändern. Und ich liebe dich als meine Freundin, egal was deine Mutter getan hat. Und Topa liebt dich auch. Das sollte für dich zählen.“

Paola schien einen wunden Punkt getroffen zu haben. Lele hatte plötzlich Tränen in den Augen.

„Wie kannst du so etwas behaupten?“

„Weil es so ist“, antwortete Paola

„Aber warum?“

„Warum was?“

„Warum liebst du Fynn? Warum mich? Warum sagt mir Topa ständig, dass er mich liebt? Ihr habt doch überhaupt keinen Grund dafür! Im Gegenteil!“ Ihre Tränen hatten fast ihre Stimme erstickt.

Paola entschied sich, nicht weiter auf Lele einzureden. Sie hoffte nur, dass die Tränen ihrer Freundin deren Gedanken nicht noch weiter verfinstern würden. Sie hatte Mitleid mit Lele und versuchte, es vor ihr zu verbergen. Mitleid würde auf der Suche nach Antworten nicht helfen. Und die brauchten sie dringend.

Den restlichen Tag fuhren sie schweigend hinter Fynn und Topa her. An einer Lichtung in er Nähe eines kleinen Baches schlugen sie das Lager für die Nacht auf. Auch beim Abendessen redeten sie nur das nötigste miteinander. Lele gab nach dem Essen vor, müde zu sein und legte sich auf einem der Schlitten schlafen. Topa wollte sie nicht allein lassen und folgte ihr.

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