Casper wurde an den Mast gebunden. Bis auf eine Hand voll Männer, die an Bord bleiben sollten, wurden Waffen an die Mannschaft der Marten ausgegeben. Fynn war überrascht, wie schlecht die Waffenkammer ausgerüstet war. Als Soldat war er Waffenkammern gewohnt, deren eigentliche Funktion es war, die kostbaren Waffen vor Diebstahl schützen sollten.
Auf der Marten war die Waffenkammer ein kleiner Verschlag, in dem alles womit man einen Gegner verletzen, kampfunfähig oder gar töten konnte kreuz und quer durcheinander lag. Schwerter oder Messer waren dabei eher die Ausnahme. Beile, Äxte, Spieße und Lanzen waren stumpf oder verbeult, gemeinsam war ihnen nur der Rost. Der Großteil aber waren Knüppel oder Äste, deren Ende mit einer Art Lederband umwickelt waren, damit sie beim zuschlagen nicht aus der Hand rutschten.
Auch die Seile, an deren Ende die Enterhaken befestigt waren, hatten ihre beste Zeit schon hinter sich. Fynn erhielt ein Seil samt Enterhaken und einen armlangen Stock.
„Das krieg ich aber zurück“, versuchte der Waffenmeister einen Scherz.
Fynn ging zurück an Bord und nahm seinen Platz in der Formation wieder ein. Er blickte zu Casper. Der Junge schien von dem ganzen Trubel an Bord nichts mit zu bekommen, so verängstigt war er. Dann suchte sein Blick die Kanonen. Die Schießscharten waren noch geschlossen. Je ein Matrose stand hinter einer der acht Kanonen. Was fehlte, waren Kanonenkugeln und die kleinen Fässer mit dem Schießpulver.
„Keine Kugeln, kein Schießpulver“, flüsterte er.
„Ham wa nich“, antwortete der Matrose neben ihm ebenso leise.
Ein Bluff? Der ganze Angriff beruhte auf einem Bluff? Abzüglich der Matrosen die an Bord blieben, den Offizieren und den acht Mann hinter den Kanonen, blieb also nur gut die halbe Mannschaft für den Angriff übrig. Und das ohne Rückdeckung durch die Kanonen.
„Aufgepasst und hergehört!“, bellte Pal.
„Der Angriff läuft wie immer. Für die Frischlinge an Bord heißt das: Auf mein Kommando werft ihr die Enterhaken. Dann das Schiff ranziehen, rüberspringen und auf alles schlagen was sich bewegt. Ihr hört erst auf zu kämpfen, wenn ich es euch befehle. Wer nicht spurt kommt drei Nächte ohne Wasser und Brot in die Bilge. Wer seinen Haken ins Wasser schmeißt vier Nächte.“
Das sonst übliche ‚klar so weit?‘ entfiel ersatzlos.
„Auf eure Plätze!“, befahl Pal.
Die Männer mit den Enterhaken knieten hinter der Reling. Je zwei Matrosen knieten dahinter um beim ziehen zu helfen. Fynn konnte das feindliche Schiff nicht sehen. Er würde also erst im letzten Moment abschätzen können, wohin genau er seinen Haken werfen musste. Wie wirft man so ein Ding?, fragte er sich selbst.
Die anderen Werfer hatten den Haken schräg hinter sich auf das Deck gelegt, gut eine Armlänge entfernt. Er konnte die Bewegung erahnen.
„Kanonen in Stellung“, bellte einer der Offizier.
„Kanonen in Stellung“, antworteten die Matrosen der Reihe nach.
Dann wurden Lunten angezündet und so gehalten, dass der Gegner sie sehen konnte.
„Wenigstens ist der Bluff zu Ende gedacht“, flüsterte Fynn.
In der Nähe des Bug spritze Gischt über die Reling. Die Marten hatte Fahrt aufgenommen.
„Werfer bereit“, befahl der Offizier.
„Werfer bereit“, bestätigen die Werfer.
Fynn spannte alle Muskeln an und wartete auf das nächste Kommando.
„Jetzt!“ brüllte Pal.
Fynn sprang auf. Sofort began er, den Haken über seinem Kopf kreisen zu lassen. Dann ein schneller Blick auf das fremde Schiff. Noch zwei kräftige Kreise, dann lies er den Haken los.
Der Haken schlug an Deck ein. Die Männer hinter ihm waren aufgestanden und zogen das Seil straff. Fynn stemmte sich gegen die Reling. Sobald das Seil auf Spannung war, zog er mit aller Kraft.
Ich bin gespannt Phil, wie Du die verschiedenen Geschichtsstänge verknüpfen wirst.
Das bin ich auch 🙂