8/2017 Einfache Psychologie

Fynn und Paola saßen noch eine Weile am Feuer.

„Was ist mit ihr los?“, fragte Fynn

„Keine Ahnung“, murmelte Paola. „Sie scheint an allem und jedem zu zweifeln. In ihrem Kopf scheint ein einziges Durcheinander an Fragen zu sein, die sich so stark ineinander verknoten, dass keine Antwort die passende Frage mehr finden kann. Das schlimmste aber ist, dass sie sich für alles die Schuld gibt und glaubt, dass auch alle anderen ihr die Schuld geben. Ihre Argumentation ist nicht minder wirr.“

„Und das gibt ihr das Gefühl, ausgestoßen zu werden.“

„Woher weißt du das?“ wollte Paola wissen.

„Weil sie sich in Wirklichkeit einfach nur schämt.“

„Wofür?“

„Für ihre Mutter.“

„Wenn meine Mutter mich so behandelt hätte, hätte ich mich sicher nicht geschämt.“

„Doch, ich glaube schon“, feixte Fynn.

„Ich glaube du hast genug Wein getrunken.“

„Im ernst, sie schämt sich einfach.“

„Nun“, gab Paola sich gespielt zickig, „wenn schon der Wein aus dir spricht, kann ich´s mir bei ja auch anhören und dabei mittrinken.“

„Zugegeben, Lele´s Mutter ist eine schwierige Person. Aber sie ist vor allem Lele´s Mutter. Kinder – egal ob kleine oder große – lieben Ihre Eltern und sind stolz auf sie. Auch, wenn die sich noch so unmöglich aufführen. Die Angst, das jemand den man selbst liebt, sich so unmöglich benimmt, dass man sich für ihn schämen muss ist ein mächtiges Gefühl.“

„Das erklärt noch immer nicht die Schuldgefühle.“

„Sie hat es ihrer Mutter nie recht machen können, hat nie die Anerkennung bekommen, die sich braucht und wollte. Stattdessen hat sie lernen müssen, dass alles immer ihre Schuld war. Durch ihre Schuld ist das Leben ihrer Mutter verkorkst. Also fühlt sie sich auch für die Folgen verantwortlich. Das sie sich schämt, verstärkt die Schuldgefühle die ihr eingetrichtert wurde nur noch.“

„Und wie zeigen wir ihr, dass sie nicht schuld ist.“

„Vielleicht in dem wir ihr zu spüren geben, dass wir sie einfach lieben, ohne einen Grund dafür zu brauchen.“

„Klingt schwierig.“

„Ist es auch.“

„Danke, sehr beruhigend.“

„Wir finden einen Weg.“

„Erklärst du mir irgendwann, warum du das alles weißt?“

„Versprochen.“

Als Fynn schon längst eingeschlafen war, dachte Paola noch immer über ihr Gespräch nach. Fynn hatte überzeugend gewirkt, doch ihr wollte nichts vernünftiges einfallen, wie sie ihrer Freundin würde helfen können.

Als sie am nächsten Morgen aufwachte, schlief Fynn immer noch. Das war ungewöhnlich. Sie beugte sich über ihn und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Fynn´s Haut war feucht und schmeckte salzig. Erst da merkte sie, dass Fynn am ganzen Körper heiß war und schwitzte. Sie öffnete den Verband. Die Wunde hatte sich entzündet und bereits begonnen zu eitern.

Paola weckte Lele und Topa und erklärte ihnen die Lage. Lele ging sofort zu Fynn, um sich selbst ein Bild zu machen. Topa brachte das Feuer wieder in gang und setzte Wasser auf.

„Wir müssen ihn zu einem Arzt bringen“, sagte Lele. „Die Wunde muss professionell gereinigt werden, bevor sich das tote Gewebe entzündete und entfernt werden muss. Aber ich weiß nicht, ob er die Reise überstehen wird, wenn wir länger als einen Tag brauchen. Sein Körper war eh schon geschwächt, und jetzt noch die Entzündung.“

„Wir sind mitten in der Wildnis. Keine Ahnung, wie lange wir ins nächste Dorf brauchen.“

„Haltet ihn einfach am Leben“, sagte Topa. „Ich finde einen Arzt und bringe ihn hier her.“

Topa sprang auf seinen Schlitten und raste davon. Die beiden Freundinnen waren so damit beschäftigt, die Wunde so gut wie möglich zu reinigen, dass keine auf den Gedanken kam, was passieren würde wenn Topa ohne Arzt zurückkommen würde.

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