Paola erwachte, weil ihr Kopf gegen etwas hartes stieß. Sie wollte ein Hand auf die Stelle legen, doch ihre Hände waren zusammengebunden. Als sie beide Hände zu ihrem Kopf heben wollte, stieß sie wieder gegen etwas hartes. Um sie herum war es dunkel. Etwas steckte in ihrem Mund. Es fühlte sich an wie ein Tuch oder Lappen und schmeckte nach faulen Eier. Sie schaffte es nur mir Mühe, sich nicht zu übergeben. Dann versuchte sie, ihre Beine zu bewegen. Doch auch die waren gefesselt. Sie zog die Knie an und stieß erneut gegen etwas hartes. Auch nach links und rechts von ihr begrenzte etwas ihre eh schon eingeschränkte Bewegungsfreiheit. Sie taste mit den Händen danach.
Holz, dachte sie. Das ist Holz. Ich liege gefesselt in einer Kiste. Bevor die Panik völlig Besitz von ihr ergriff, wurde sie wieder durchgeschüttelt. Die Kiste bewegt sich, durchfuhr es sie. Kisten bewegen sich nicht von alleine, belehrte sie sich selbst. Dann suchte sie nach Schmerzen in ihrem Körper. Der Kopf tat ihr weh, Hände und Füße waren gefesselt, aber sie konnte sich schmerzfrei bewegen. Sie hatte einen Knebel im Mund und die Augen waren ihr verbunden worden. Als nächstes suchte sie nach Geräusche. Da war das typische Schmieren und Knirschen von Schlittenkufen. Dazwischen konnte sie das regelmäßige dumpfe Plonk der Rentierhufe erkennen. Wo ein Schlitten und Rentiere waren, da mussten doch auch Leute sein. Aber sie konnte keine Stimmen hören.
Sie zog die Knie soweit wie möglich an und trat dann mit voller Wucht gegen das Fußende der Kiste. Das Geräusch war leiser als Paola gehofft hatte. Sie trat nochmal zu. Dann nochmal und nochmal.
„He, unser Päckchen ist wach!“, rief eine Männerstimme.
Der Schlitten hielt an. Eine Tür wurde geöffnet, dann hob sich der Deckel der Kiste. Schwaches Licht drang durch ihre Augenbinde. Zwei starke Hände griffen ihr unter die Schulter und halfen ihr, sich aufzusetzen.
„Hallo Prinzessin“, sagte eine andere Männerstimme. „Wenn du brav bist, nehmen wir dir die Fesseln ab. Wenn du wegläufst oder irgendwelche Zicken machst, bleibst du für den Rest unserer Reise in der Kiste und kriegst ein feines Schlafmittelchen, capito?“
Paola nickte. Ihre Fesseln wurden gelöst, dann die Augenbinde und der Knebel entfernt. Sie kniff die Augen zusammen, weil das Licht blendete. Sie rieb ihre Handgelenke. Langsam öffnete sie wieder die Augen. Paola blickte sich um. Sie saß in einer Kiste auf der Ladefläche eines Schlittens. Um sie herum standen mehrere Männer. Grobe Kerle, die sonst nur bezahlt wurden, wenn der Schaden den sie anrichteten keine Rolle spielte.
Einer reichte ihr eine Trinkflasche. „Hier, wir wollen dich ja wohlbehalten abliefern. Nicht, dass uns an deinem Wohl liegen würde. Aber zum Teufel, in einem Stück bist du mehr wert.“
Insgesamt zählte sie sieben Gesichter. Es musste also noch mindestens einen weiteren Schlitten geben.
„Ihr zwei passt auf, dass sie nicht aus versehen vom Schlitten fällt, die anderen seht zu, dass wir weiter kommen. Wir halten uns abseits der üblichen Wege. Na los!“
Zwei der Männer stiegen zu ihr auf den Schlitten. Dann setzten sie ihre Reise fort.
Paola hatte sich mit dem Wasser gründlich den Mund ausgespült, aber der Geschmack war immer noch da. Der erste Schluck hatte abscheulich geschmeckt. Paola versuchte die neuen Informationen einzuordnen. Logisch und vernünftig zu denken, war das beste Mittel gegen die Panik. Diese Männer mussten sie betäubt und entführt haben. Ihr viel nur eine Person ein, die dazu fähig wäre. Aber wie hatte er sie finden können? Oder waren das Menschenhändler? Erst jetzt fiel ihr auf, dass die Männer italienisch mit ihr gesprochen hatten. Ein weiteres Indiz auf die Identität ihres Entführers. Sie versuchte die Männer so unauffällig wie möglich zu beobachten. Keines der Gesichter kam ihr bekannt vor. Ihre beiden Wächter trugen schwere Stiefel, die mit eisernen Kappen verstärkt waren. Dazu trugen sie eine ledernes Wams, Handschuhe und einen breiten Gürtel um die Hüften. Darin steckten einige Messer, je eine kleine Axt und ein kurzes Schwert. Sicher trugen sie unter ihrem Wams noch weitere Waffen. Keiner der Männer die sie sehen konnte, trug ein Erkennungszeichen oder Wappen. Sie musste noch mehr herausfinden. Nur wie?