Als Lele auf die kleine Hütte zuging, die Topa als Stall und Wohnung benutzte, war sie ein wenig nervös. Doch es brannte kein Licht. Sie klopfte an die Tür und horchte. Sie klopfte noch mal. Wieder keine Reaktion. Sie ging einmal um die Hütte, um zu sehen, ob es noch einen Eingang gab. Das große Tor auf der Rückseite stand offen. Lele blickte hinein, sah den Schlitten mit dem sie gestern unterwegs waren und zwei Rentiere. Also musste Topa doch zu hause sein. Lele wusste nicht, dass Topa noch den kleinen Schlitten und zwei weitere Rentiere hatte.
Sie ging erneut zur Türe an der Vorderseite und klopfte. Komisch, dachte Lele. Sie wollte wenigstens die Decke da lassen und ging zurück zu dem großen Tor. Lele betrat den Stall und sah sich um. Ihr gefiel der Stall, sie mochte den Geruch von Heu und Stroh. Und sie mochte die Rentiere. Auf einem Fensterbrett lagen ein paar Äpfel. Lele legte die Decke auf den Kutschbock, holte die Äpfel und fütterte die Rentiere. Sie hätte auch gerne so schöne und edle Tiere gehabt. Nach einer Weile verabschiedete sie sich von den Rentieren und machte sich auf den Weg ins Wirtshaus. Jetzt hatte sie richtig Lust auf einen Weihnachtspunsch. Als sie schon fast zum Tor hinaus war, fühlte sie einen leichten Schlag gegen ihre Beine und wäre fast gestolpert. Sie blieb stehen und sah sich um. Da war nichts, wogegen sie gestoßen sein konnte. Nur ihr rechter Schuh war offen. Lele bückte sich, um ihren Schuh zu binden. Da sah sie etwas im Stroh neben ihrem Fuß liegen. Es war ein Buch mit einem Umschlag aus Rentierleder. Sie konnte unmöglich gegen ein Buch gestoßen sein.
Lele hob das Buch auf und blätterte die ersten Seiten durch. Sie überflog hier und da einzelne Absätze. Sie hatte schon lange kein Buch mehr gelesen. Genau genommen seit Ihre Beziehung mit dem Arzt begonnen hatte. Während der Beziehung hatte sie genug damit zu tun, auf unzähligen Festen, Empfängen und offiziellen Anlässen „Frau Doktor“ zu spielen. Und danach hatte sie nie die innere Ruhe gefunden, ein Buch zu lesen. Sie steckte das Buch ein und machte sich auf in Richtung Wirtshaus.
Während dessen saß Topa mit Toni und den anderen Italienern am Tisch. Toni und Topa verstanden sich auf Anhieb. Auch die anderen hatten eine Menge Fragen an Topa. Und Topa war völlig fasziniert, wie gestenreich die Italiener diskutierten. Schnell entstand eine lebhafte Diskussion. Die Bedienung brachte noch eine Runde Punsch und bald hatte Topa alles um sich herum vergessen.
Topa musste sich teilweise sehr konzentrieren, denn nicht alle Italiener konnten seine Sprache gut genug. Eine junge Frau, ihr Name war Paola, half Topa, und übersetzte die Fragen und Antworten.
„Woher kannst du unsere Sprache so gut?“, fragte Topa nach einer Weile.
„Ich bin Lehrerin. Ich unterrichte Literatur und habe viele Bücher in deiner Sprache gelesen.“
Während der nächsten beiden Runden Punsch, redeten Topa und Paola über Bücher, die sie beide gelesen hatten. Je länger sie mit einander redeten, um so mehr wuchs in Topa die Begeisterung. Er hatte endlich jemanden gefunden, der seine Leidenschaft für Bücher teilte.
Plötzlich platzte Toni dazwischen. „Allora; Topa in Italia wir habe lustige Spiel mit Schlitte.“ Topa war sich nicht ganz sicher, was Toni meinte und sah Paola fragend an. Sie erklärte ihm, dass es sich um ein lustiges Spiel handelt, dass oft bei Feiern gespielt wurde. Für das Spiel benötigt man 9 Personen, denen unterschiedliche Rollen zugewiesen werden: Kutscher, König, Königin, 2 Pferde, 4 Räder. Jede Person sitzt auf einen Stuhl. Alle Stühle werden wie eine Kutsche aufgebaut.
Nun wird eine Geschichte vorgelesen. Jedes Mal, wenn in der Geschichte der Rollenname einer Person genannt wird, muss die betreffende Person aufstehen und einmal um ihren Stuhl laufen: Wenn z.B. „König“ vorgelesen wird, muss die Person, die die Rolle des Königs hat, aufstehen. Verpasst eine Person ihr Stichwort, ist sie ausgeschieden. Wer am Schluss noch auf seinem Stuhl sitzt, hat gewonnen.
„Das klingt lustig“, sagte Topa. „Lasst uns spielen.“
Mittlerweile hatte Toni schon die Stühle aufgebaut. Topa war eines der Pferde, Paola war das andere Pferd.
Schon der Probedurchgang erwies sich als schwierig und chaotisch; der Punsch zeigte seine Wirkung. Immer wieder mussten sie das Spiel unterbrechen, weil sie sich vor Lachen kaum auf den Stühlen halten konnten. Den anderen Gästen war das Theater nicht entgangen und bald standen sie im Kreis um die Stühle und sahen den jungen Leuten beim Spiel zu.
Zwei der Räder und der Kutscher waren schon ausgeschieden, als Topa und Paola wieder ihr Stichwort bekamen. Beide sprangen auf und liefen um ihren Stuhl. Topa lief links herum und Paola rechts herum.
In der Mitte liefen sich beide in die Arme und verloren das Gleichgewicht. Topa versuchte, sich an einem der Stühle festzuhalten. Der Stuhl kippte um, schlug laut scheppernd auf dem Boden auf und Paola und Topa verloren endgültig den Halt. Sie landeten neben dem Stuhl auf dem Boden. Paola lag bäuchlings auf Topa. Die anderen begannen laut zu lachen.
Lele war vor dem Wirtshaus angekommen.
p.s.: Twins, Alles Gute zum Geburtstag!!!
…Danke!
auch danke! 🙂