Eine absurde Frage?

Aber Lele lachte einfach nur.

Kein Problem,“ sagte sie. „Hast du eine Decke? Wenn ich mich in die Decke und das Fell wickle, kann ich die Jacke ausziehen und mir wird nicht kalt.“

Topa griff wieder unter den Sitz und reichte ihr eine Decke. Lele zog ihre Jacke aus, wickelte sich die Decke um und griff nach dem Rentierfell.

Du bist nicht sauer?“, fragte Topa.

Nein, wegen dem bisschen Tee? Ich hatte heute soviel Spaß wie schon lange nicht mehr. Das lass ich mir nicht vermiesen.“

Topa fiel ein Stein vom Herzen. „Und dir ist sicher nicht kalt?“

Lele rutschte wieder ganz nah neben ihn und deckte sie beide mit dem Fell zu. „So wird es gehen.“

‚Dann hat die Sache ja noch was Gutes‘, dachte Topa bei sich. Es war spät geworden und so machten sie sich auf den Rückweg. „Soll ich dich nach Hause fahren?“, fragte Topa. „Gerne“; antwortete Lele. „Ich zeig dir den Weg.“

Topa blieb vor ihrer Hütte stehen und half Lele vom Schlitten.

Lele umarmte Topa zum Abschied. Vielleicht ein bisschen zulange und vielleicht auch ein wenig zu fest. Sie dachte nicht darüber nach; Lele handelte einfach intuitiv. Schon während der Schlittenfahrt und auch als Topa ihr von den Menschen erzählte, spürte Lele eine Vertrautheit zwischen sich und Topa. Sie wusste nicht warum das so war, aber es tat ihr gut. Lele genoss die Umarmung eine ganze Weile. Dann löste sie ihre Arme und trat eine halben Schritt zurück.

Danke“, sagte sie und gab Topa einen Kuss auf die Wange. Der stand einfach nur da und war völlig überrumpelt.

Wofür war der denn?“, fragte Topa und griff sich an die Wange.

Weil ich heute wirklich viel Spaß hatte. Die letzten Monate waren nicht leicht für mich, und es hat mir sehr gut getan, einfach mal wieder Spaß zu haben, ohne ständig nachdenken zu müssen.“

Topa verstand nur die Hälfte, traute sich aber nicht zu fragen. Lele zog sich die Decke enger um die Schultern. „Schlaf gut, Topa. Und nochmal vielen Dank. Ich bring dir morgen die Decke wieder.“

Gute Nacht“, war alles was Topa herausbrachte.

Lele drehte sich um und ging in Richtung der Tür. Topa schaute ihr nach, bis die Tür hinter ihr zuviel. Er konnte nicht sehen, wie sich Lele mit dem Rücken gegen die Tür lehnte, kaum das diese in Schloss gefallen war.

Topa stand noch eine ganze Weile da. Als ihm die Kälte langsam durch die Kleider kroch, stieg er auf den Schlitten und machte sich auf den Heimweg.

In dieser Nacht lag Topa noch lange wach. Er versuchte zu verstehen, was passiert war. Alles war so schnell gegangen. Und dann diese Kribbeln, das Stechen in der Brust. Dann fühlte er sich einfach nur – ja wie eigentlich? Es war ein bisschen ein Gefühl, als würde er schweben. Normal verlief sein Leben geordnet. Er hätte sich nie getraut, jemand anderen seinen Schlitten lenken zu lassen. Er hatte nicht mal daran gedacht, nein zu sagen. Lele schaffte es immer wieder, sein inneres Gleichgewicht ins Schwanken zubringen und die Ordnung in seinem Leben auf den Kopf zu stellen. Ihren Körper zu spüren, hatte ihn aller Sinne beraubt. Ihm wurde wieder schwindelig, wenn er daran dachte. Plötzlich hatte er wieder ihr Bild vor Augen. Lele stand wieder auf der Treppe vor der Musikschule, mit ihrer weißen Mütze über den roten Haaren. Ihre Augen strahlten dieses einzigartige Blau aus. Plötzlich war das Stechen wieder da. Sogar die Augen taten ihm weh. Das war sicher nur die Müdigkeit. Wie können einem die Augen weh tun, wenn man etwas schönes sah? Die Antwort auf diese Frage war völlig eine neue, völlig absurde Frage.

War es tatsächlich möglich, dass etwas so schön war, das der Anblick schmerzt?

Ein Gedanke zu „Eine absurde Frage?

  1. Hi Philipp,
    hab in einem Stück Deinen Wochenblog gelesen.
    Da ist der Spannungsbogen für mich besser zu verkraften.
    Bin gespannt wie´s weiter geht.
    Danke, Dir noch eine schöne Woche
    und viele Grüße aus Franggen.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.