Mitten in der Nacht weckte Maj-Lis ihre Mann.
¨Eirik, ich glaube, es geht los. Das Baby kommt.¨
¨ Aber du bist doch eigentlich noch gar nicht so weit¨, stammelte Eirik verschlafen.
¨Ja, aber die Reise und der Unfall haben vielleicht…… Ach verdammt, was spielt das jetzt noch für eine Rolle. Komm her und hilf mir.¨
Eirik fragte sich, ob dies nur ein Traum war. Maj-Lis packte ihn am Arm packte und schrie ihn an, ihr endlich zu helfen. Ganz sicher war das kein Traum. Er durfte sie jetzt nicht enttäuschen. Nicht schon wieder. Ihre Stimme lies keinen Zweifel daran, wer jetzt hier das sagen hatte. Maj-Lis wusste, was zu tun war. Hoffentlich.
Also suchte er Tücher und noch mehr decken und erweckte das Feuer wieder zum Leben um Schnee zu schmelzen für warmes Wasser.
Die Wehen wurden jetzt immer heftiger und kamen in immer kürzeren Abständen. Maj-Lis versuchte trotzdem, sich an alles zu erinnern, was sie über Geburten wusste. Beim zweiten mal sollte es angeblich leichter sein. Hoffentlich stimmte das auch. Eirik machte seine Sache wirklich prima. Dann sind seine Schuldgefühle ja wenigstens für was nütze, dachte Maj-Lis bei sich. Den letzten und wichtigste Teil würde sie aber alleine schaffen müssen.
Eirik wurde ganz schlecht, als er das blutverschmierte, nackte und winzig kleine Baby endlich in ihre Arme legen konnte. Er war froh, als sie ihn bat, ihr frische Tücher und etwas warmes Wasser zu bringen. Die gebrauchten Tücher entsorgte er im Feuer. Er lies sich absichtlich lange damit Zeit.
¨Du kannst jetzt wieder zu uns kommen¨, hörte er ihre Stimme.
Maj-Lis musste total erschöpft sein, aber ihr Gesichtsausdruck versprühte nur Glück und Stolz.
¨Wir haben eine Tochter¨, sagte Maj-Lis mit schwacher Stimme.
Eirik konnte nichts sagen. Er hatte noch nie eine Geburt hautnah mit erlebt. Die Eindrücke hatte ihn überwältigt und verunsichert zugleich.
Eine ganze Weile saßen sie einfach nur da, betrachten ihre Tochter und waren einfach nur glücklich.
Aber sie saßen mitten im Winter mit einem neugeborenem Kind im Wald. Ohne Schlitten und nur mit einem Rentier. Sie mussten irgendwie den nächsten Bauernhof erreichen. Maj-Lis war von der Geburt zu geschwächt und das gehen würde ihr große Schmerzen bereiten. Auch würde sie nicht auf dem Rentier reiten können.
So beschlossen sie, dass Eirik sofort aufbrechen sollte, um Hilfe zu holen. Er würde Topa mitnehmen, weil Maj-Lis sich nicht um beide Kinder gleichzeitig kümmern konnte. Topa hatte während der Geburt geschlafen. Sobald es wach war, würde er mit Freude im Schnee rumtoben und mit den Trümmern des Schlitten Burgen oder sonst was bauen. Er war so schon kaum zu bremsen, und Maj-Lis würde jetzt erst recht nicht auf ihn aufpassen können. Maj-Lis würde mit ihrer Tochter und dem Rentier hier warten, bis Eirik zurück war. Sie hatte es hier warm und trocken, sie war gut vor dem Sturm beschützt und die Trümmer des Schlitten konnte sie für das Lagerfeuer verwenden. Die Lösung gefiel ihnen beiden nicht, aber es war die einzig sinnvolle Alternativ. Sie wollten nicht darauf vertrauen, dass zufällig jemand vorbei käme und sie finden würde.
Also packte Eirik alles notwendige für den Fußmarsch in eine Tasche. Dann wickelte er Topa in ein Fell, verabschiedete sich von Maj-Lis und machte sich noch vor Tagesanbruch auf, um Hilfe zu holen.
Er hatte große Schwierigkeiten, in dem tiefen Schnee, mit Topa auf dem Arm und bei fast völliger Dunkelheit nicht zu stolpern, geschweige denn den Weg sicher zu finden. So kam er langsamer voran, als er es wollte. Wenn er erst aus dem Wald raus war, würde er auch noch gegen den Sturm kämpfen müssen. Keine sehr hoffnungsvollen Aussichten, aber er würde ohne Pause marschieren und seine Familie heil aus dieser Situation retten. Dann erst konnte er Maj-Lis um Verzeihung bitten; er selbst würde sich nie verzeihen.